Das Ende der Geduld
Ländervergleich ergäbe, dass, bezogen auf die Einwohnerzahl, Berlin mit einer vergleichbaren Anzahl von Polizeimitarbeitern ausgestattet ist wie z. B. Frankfurt am Main, halte ich dieses Argument nicht für stichhaltig. Denn wie bei den Richtern und Staatsanwälten müssten Art und Umfang der anfallenden Tätigkeiten miteinander verglichen werden.
Mir bestätigen Beamte vor Ort und Gewerkschaftsvertreter jedenfalls durchweg, dass sie sich nicht immer in der Lage sehen, ihre Arbeit sinnvoll zu erledigen und die Kriminalität nachhaltig zu bekämpfen.
Die Frustration der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist dementsprechend zumindest an der Basis ausgeprägt. Man fühlt sich dort manchmal ohnmächtig und hilflos, was allerdings nicht ausschließlich auf die Personalausstattung, sondern auch auf den erschwerten Umgang mit den Tatverdächtigen zurückzuführen ist. Diese wissen in der Regel, dass ihnen letztlich nicht viel passiert, auch und gerade mit Blick auf die sehr jungen Kriminellen, die noch strafunmündig sind. Aber auch bei den über 14-Jährigen beklagen die Beamten die Dreistigkeit, mit der die Beschuldigten auftreten. Sie wissen sehr gut, wie selten junge Täter, die über einen festen Wohnsitz verfügen, in Untersuchungshaft genommen werden bzw. in einer Einrichtung zur Vermeidung von Untersuchungshaft Aufnahme finden. Die Polizisten schildern immer wieder, dass Jugendliche heute festgenommen werden und morgen wieder frei herumlaufen und sich anschließend über die Beamten lustig machen. Die Staatsbediensteten haben dementsprechend keinen Respekt von den Tätern zu erwarten, im Gegenteil: Beschimpfungen und Demütigungen sind an der Tagesordnung. In diesem Kontext ist auch die sogenannte „Rudelbildung" in Stadtteilen, die überwiegend von Migranten bewohnt werden, zu sehen. Damit wird die Situation bezeichnet, in der sich Beamte befinden, wenn sie beispielsweise eine vorläufige Festnahme durchführen wollen. Plötzlich sind sie dann von zwanzig bis dreißig Männern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund umringt, die sehr entschlossen zeigen, dass die polizeiliche Maßnahme nicht erwünscht ist. Das sehe ich als weiteren erheblichen Verlust staatlicher Autorität an.
Falls es in den besagten Situationen trotz entsprechenden Widerstandes zu einer vorläufigen Festnahme kommt, ist die gesetzliche Hürde für eine Inhaftierung besonders bei Jugendlichen hoch. Die Vorgaben des JGG sind gerade bei den 14- bis 16-Jährigen auch bei dringendem Tatverdacht eindeutig auf eine Haftvermeidung zugeschnitten. Ich teile aber die Einschätzung der Polizeimitarbeiter, dass es nicht hingenommen werden kann, wie die Beschuldigten „dem Staat auf der Nase herumtanzen". Der die Beamten unendlich frustrierende Effekt, nichts zu erreichen, weil die Jugendlichen und teilweise bereits die Kinder wissen, dass ihnen „keiner was kann", muss unterbunden werden, denn er schadet letztlich auch den jungen Menschen, in deren Verhalten sich die Notwendigkeit einer Grenzsetzung deutlich zeigt. Auch in diesem Zusammenhang zeigt sich also, dass über Unterbringungen der gefährdeten Kinder und Jugendlichen nachzudenken ist. Sonst sind sie plötzlich in eine so schwere Tat verwickelt, dass nun ernsthafte Haftgründe vorliegen. Wenn es erst einmal so weit ist, sitzen sie bald in der Jugendstrafanstalt. Ein bislang jedenfalls in Berlin ungenutztes Potenzial liegt hier in der Vorschrift des § 71 JGG, der es dem Jugendgericht ermöglicht, auch im laufenden Ermittlungsverfahren erzieherisch auf den Beschuldigten einzuwirken.
In Anbetracht der Personallage der Berliner Polizei wird es niemanden verwundern, dass auch die sogenannten Anzeigen „von Amts wegen" deutlich zurückgegangen sind, und zwar im Zeitraum von 2001 bis 2008 von jährlich 127.000 auf 102.000. Zugleich sind die „Liegevermerke" bezüglich mehrere Wochen nicht bearbeiteter Verfahren von 2004 bis 2008 von 3294 auf 6059 jährlich angestiegen. „Von Amts wegen" kommt eine Anzeige dann zustande, wenn die Polizei eine Straftat von sich aus aufdeckt. Ein klassisches Beispiel: Eine Zivilstreife rückt aus und trifft auf einige schwarz gekleidete Jugendliche, die mit Rucksäcken hektisch von einem S-Bahn-Gelände wegrennen. Die Beamten kontrollieren die Personen und finden Farbsprühdosen in den Rucksäcken sowie entsprechende Farbanhaftungen an den Händen. Das Gelände wird abgesucht, und es findet sich ein frisch besprühter S-Bahn-Zug, dessen neuer Anstrich zu
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