Das Ende der Geduld
nehmen oder das Sorgerecht vollständig oder teilweise entziehen und auf das Jugendamt oder einen Pfleger übertragen. Diese Maßnahmen sind flexibel zu handhaben: Falls die Eltern kooperieren und sich nachprüfbar ihrer Verantwortung stellen, kann das Kind probeweise und schließlich auch endgültig in die Familie zurückkehren. Gerade im Zusammenhang mit dauerhafter Schuldistanz halte ich diese Vorgehensweise für wesentlich effektiver als das Herumreichen der Kinder und Jugendlichen von einer Schule zur nächsten.
Im Falle von voranschreitenden Schwierigkeiten, die sich in gewalttätigem Verhalten des Kindes äußern, ist die Polizei unabhängig von einer einzelnen Straftat einzuschalten, da deren Erkenntnisse von Bedeutung sein und dazu führen können, dass das Kind oder der Jugendliche, für die eine Inhaftierung noch nicht in Betracht kommt, in einer sozialpädagogisch hoch qualifizierten geschlossenen Einrichtung untergebracht werden, wenn die gemeinsame Problemanalyse ergibt, dass das Umfeld des jungen Menschen kriminell und seine weitere Entwicklung deshalb vorgezeichnet ist. Diese Einrichtungen, die bislang in Berlin nicht existieren, dürfen nicht mehr tabuisiert werden. Immer wieder beteiligen sich auch Kinder an der Begehung schwerster Straftaten. Man kann sie dann oft nicht mehr mit ambulanten Hilfemaßnahmen erreichen. Wir haben das am Beispiel von Lehmanns, Yilmaz, Hussein und Kaan sowie Kindern einiger „arabischer" Großfamilien festgestellt. Ich würde aus diesem Grund auch die Polizei in die Bewertungsstelle eingliedern.
Bei Eintritt der Strafmündigkeit sollte möglichst umfassend von den vereinfachten Jugendverfahren Gebrauch gemacht werden.
Der Flickenteppich der Projekte, speziell bei den Anti-Gewalt-Maßnahmen, ist zu beseitigen. Sicher darf von den Gerichten erwartet werden, dass sie wissen, welchen Inhalts die ihrerseits erteilten Anordnungen sind. Dabei sollte aber ein überschaubares Angebot geschaffen werden, bei dem die Möglichkeit besteht, den Überblick zu behalten. Mehr als fünf unterschiedliche Konzepte halte ich nicht für hilfreich.
Die Justiz muss so weit wie möglich dafür Sorge tragen, nicht nur die Verfahrensdauer zu verkürzen, sondern auch die rasche Umsetzung unserer Entscheidungen zu gewährleisten. Die Arreste sollten möglichst häufig sofort vollstreckt werden, was insbesondere bei Freizeitarresten, die ein Wochenende umfassen, momentan bei Weitem nicht der Fall ist. Hier liegen in Berlin zwischen dem Urteil und dem Arrestantritt manchmal Monate.
Auf der justiziellen Ebene sollte grundsätzlich darüber nachgedacht werden, von § 34 JGG Gebrauch zu machen, der die Möglichkeit eröffnet, dem Jugendrichter auch die familien- und vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben zu übertragen. Dies ist sicherlich eine Erwägung, die größeren Aufwand in der Umsetzung erforderlich macht, denn mit den vorhandenen Kapazitäten könnten wir dieser Aufgabe nicht gerecht werden. Abgesehen davon bestehen hier gegenwärtig zusätzliche rechtliche Hindernisse, die sich aus dem Zivilrecht ergeben. Darüber müsste man eine juristische Abhandlung anfertigen, die den Rahmen meiner Betrachtungen an dieser Stelle sprengen würde. Dennoch ist die Überlegung grundsätzlich anzustellen, denn die „Maßnahmen zur Abwendung einer Gefährdung des Jugendlichen", die nach § 34 Abs. 3 Nr. 2 JGG getroffen werden können und auch § 1666 BGB (Anordnung sorgerechtlicher Maßnahmen) umfassen, stehen häufig in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verhinderung weiterer Straftaten seitens des Jugendlichen. Die sogenannte „Personalunion" von Jugend- und Familienrichter könnte jedenfalls ebenfalls zu einer deutlichen Beschleunigung der staatlichen Reaktionen führen.
Bezüglich derjenigen Jugendlichen, die bei der Polizei bereits mehrfach aufgefallen sind, aber aus den oben dargestellten Gründen nicht in Haft genommen werden können, sollten die Jugendrichter von § 71 JGG Gebrauch machen. Die Vorschrift ermöglicht es, jugendlichen Straftätern bereits vor der Hauptverhandlung Weisungen zur Lebensführung zu erteilen und auf diese Weise die Zeit zwischen der Vernehmung durch die Polizei und der Hauptverhandlung bei Gericht für die erzieherische Einwirkung auf den Jugendlichen zu nutzen. Der Sachbearbeiter der Polizei könnte in einem Verfahren gegen einen Mehrfachtäter, der für das dargestellte vereinfachte Jugendverfahren nicht mehr in Betracht kommt, aber auch nicht inhaftiert
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