Das Ende der Geduld
Hermannstraße, leben Menschen unterschiedlichster, oft migrantischer Herkunft nebeneinander und miteinander. Im Schillerkiez, mit verträumten, schattigen Plätzen unter den Platanen, fleckigen Altbauten, treffen sich im Sommer Frauen, die ihre Kinder von der Kita abgeholt haben, Wanderarbeiter und Erwerbslose, um an Bänken ihr Bier zu trinken, Roma-Familien verweilen in der Sonne, Leute auf dem Weg zur Mukarrema-Moschee gehen an Hell's-Angel-Typen mit Zöpfchenpracht vorüber." Was für eine Idylle!
In der Situationsanalyse des Quartiersmanagements, das bereits seit mehr als zehn Jahren aktiv ist und für die oben genannten Verbesserungen im öffentlichen Raum gesorgt hat, stellt sich das Ganze allerdings völlig anders dar. Sobald es die Temperaturen zulassen, treffen sich deutsche und polnische Alkoholiker und belagern den Grünstreifen. Sie haben häufig Hunde dabei, die überall ihren Kot verteilen und ebenso vor sich hinurinieren wie die Herrchen. Eindrucksvoll ist mir ein Satz eines türkischen Vaters in Erinnerung, dessen Kinder die gegenüberliegende Grundschule besuchen. Er äußerte anlässlich der Vorstellung des Konzeptes der „Task Force Okerstraße" Mitte November 2009 in der Genezarethkirche: „Ich habe es satt, dass meine Kinder auf dem Schulweg jeden Tag auf die entblößten Geschlechtsteile irgendwelcher Trinker, die gegen den Baum pissen, starren müssen." Dass der Hundekot ebenso wenig beseitigt wird wie der sonstige Müll, dass die „flanierenden" Mütter von den „Bierchen trinkenden Erwerbslosen" sexuell und verbal belästigt werden, versteht sich zudem von selbst. Der öffentliche Straßenraum wird von Kindern und Jugendlichen aus Roma-Familien beherrscht, die häufig nicht zur Schule gehen, sich selbst überlassen sind und ein verwahrlostes Erscheinungsbild aufweisen. Die Anwohner beschweren sich beim QM über lautstark und teilweise körperlich ausgetragene Auseinandersetzungen, die zuweilen bis tief in die Nacht andauern, besonders dann, wenn sich türkische, arabische und Roma-Kinder in die Haare geraten. Von Anzeigen bei der Polizei sehen die Anwohner dagegen meist ab, da sie Angst vor Repressalien haben, was nichts anderes bedeutet, als dass der Staat hier gerade erneut dabei ist, seinen Einfluss und vor allem seine Autorität einzubüßen.
In die Jugendclubs gehen die Roma-Kinder nicht. Die werden nämlich ebenso wie die Spielplätze von den türkischen und arabischen Jugendlichen kontrolliert, die am liebsten unter sich bleiben. Im Gegensatz zum Mädchentreff „Schilleria". Hierher kommen auch Mädchen aus Roma-Familien. Die ansässigen Roma-Familien werden zum Teil vom Jugendamt betreut; das bekannte Konzept der Einzelfall- und Familienhilfe versucht mit mäßigen Ergebnissen eine Linie in die Erziehung zu bringen, was schlicht kulturell bedingt oft nicht gelingen kann. Wie sich auch auf den dargestellten Reisen ins europäische Ausland gezeigt hat, sind die Roma inzwischen überall und nirgends. Es ist ein Volk, das sich bisher von den meisten Integrationsversuchen kaum überzeugen lässt. Sie kommen und gehen. Bildung kommt hier als Lebensziel selten vor. Die Kinder werden früh zur „Erwerbstätigkeit" herangezogen. Sie betteln, begehen kleinere Diebstähle, die größeren verkaufen Obdachlosenzeitungen, was früher die Punks taten, die wohl aus dem Geschäft gedrängt wurden. Speziell die Mädchen verschwinden ungefähr mit zwölf Jahren komplett aus dem Schulsystem. Sie werden vermutlich „verheiratet" und sind sehr junge Mütter von zahlreichen Kindern - so heißt es jedenfalls in der Szene vor Ort, ohne dass es hierzu entsprechende Fallakten gibt, denn viele dieser Menschen werden von den Ämtern gar nicht erfasst. In Berlin kennt man die jungen Frauen vom Betteln, wobei sie oft die Säuglinge mitschleppen müssen, oder man nimmt sie wahr, wenn sie an den großen Straßenkreuzungen während langer Ampelphasen die Autofensterscheiben der Fahrzeuge putzen. Besonders nett sind die Reinigungsangebote manchmal nicht. Mein Auto wurde jedenfalls schon kräftig bespuckt, wenn ich es mir an der fünften Kreuzung mal erlaubt habe, die Fenster nicht schon wieder wischen zu lassen. Nun vermisse ich die Freaks mit den bunten Haaren und vielen Piercings. Die malten vor den Romas manchmal nur ein Seifenherz auf die Frontscheibe und zogen zum nächsten Auto.
Richtig hart wird es im Kiez in den Sommermonaten ungefähr von April bis Oktober. Was der Romantiker im sozialen Kampf
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