Das Ende der Geduld
gehörten. Ich bin überzeugt davon, dass ohne Weiteres rund zwanzig Kriterien zusammenkommen.
Man könnte sich das weitere Vorgehen wie eine Art Ampelsystem vorstellen: Alle Familien werden gleichermaßen zunächst im „grünen" Bereich eingestuft. Bei Vorliegen von beispielsweise drei bis fünf Gefährdungskriterien, die vom Punktekatalog erfasst sind, schaltet das System auf die „gelbe" Phase um und die für den jeweiligen Bereich zuständigen Fachdezernate entwickeln einen Hilfeplan für die Familie, der mit den Eltern besprochen und von ihnen unterschrieben werden sollte. Ich würde den Plan mit einer Frist bezüglich der Umsetzung versehen, damit eine entsprechende Verbindlichkeit hergestellt wird. Innerhalb eines Zeitraums von etwa sechs Monaten sollte dem Hilfsangebot entsprochen worden sein. Wenn mehrere der katalogisierten Indikatoren wie z.B. Arbeitslosigkeit und Alkoholismus aufseiten der Eltern verbunden mit einem erkennbar schlechten Gesundheitszustand und ersten Verhaltensauffälligkeiten des Kindes sowie Schulversäumnisse zusammentreffen - ich erinnere an die Lehmanns und John - ist unmittelbares Einschreiten unerlässlich. Für die Erarbeitung eines Hilfeplans wären dann das Jugendamt, die Schule und aus meiner Sicht auch das Gesundheitsamt zuständig. Nur ein Helfer sollte sich mit der Familie befassen, die Umsetzung des Hilfeplans begleiten und die Einhaltung der Frist beachten. Was hindert uns daran, beispielsweise einer Mutter aufzugeben, einen staatlich finanzierten Entzug durchzuführen, während der Vater auf den Schulbesuch der Kinder zu achten hat, indem konkrete Absprachen mit der Schule getroffen und eingehalten werden? Hierbei kann er vom Familienhelfer unterstützt werden. Zugleich mag man ein „Elterncoaching" anbieten, um die Kompetenz der Sorgeberechtigten zu stärken. Das Kind wäre regelmäßig dem Amtsarzt vorzustellen, um seinen Gesundheitszustand zu überprüfen. Vielleicht ermöglicht es die Einführung verbindlicher Vorsorgeuntersuchungen beim Kinder- oder Amtsarzt auch, endlich der Misshandlung vieler Kinder auf die Spur zu kommen.
Ich schlage weiter vor, die Jugendämter so auszustatten, dass die Mitarbeiter wieder vermehrt selbst in der Lage sind, mit den Familien zu arbeiten. Projekte, die transparent und strukturiert sind, sollten in überschaubarer Weise eingebunden werden. Hierbei sollte Wert auf die Beteiligung verlässlicher Partner aus den Migrantenvereinen gelegt werden.
Wenn die Angebote nicht umgesetzt werden, sollten die Systeme auf „Rot" schalten und auf die repressive, das heißt auch bestrafende Ebene wechseln, die allerdings Spielräume für Veränderungen lassen muss, wenn die Eltern und Kinder nachvollziehbar und anhaltend kooperieren. Falls die Eltern innerhalb der am Anfang vereinbarten Frist nicht mitwirken, sollten die bisher beteiligten Behörden umgehend die Justiz einbinden, die dann auf der repressiven Ebene agiert. Die Eltern können wegen „Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht" strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Ich habe im Jahr 2009 im Zusammenhang mit einem Bußgeldverfahren gegen einen deutschen Vater, der schwer alkoholkrank ist und seinen Sohn vom Schulbesuch geradezu abhielt, eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet. Diese hat den Mann wegen „Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht" angeklagt und er wurde auch vor Kurzem verurteilt.
Gegen die Eltern können Bußgelder wegen der Schulversäumnis der Kinder verhängt werden. Die Verfahren sind allerdings vielfach zu langwierig, um bei den Eltern eine Änderung ihrer Verhaltensweisen zu erzielen. Die Kürzung des Kindergeldes wird in diesem Kontext immer wieder diskutiert. Inzwischen muss man hierüber ernsthaft nachdenken. Denn schließlich greift man den Eltern auch mit den Bußgeldern „in die Tasche". Eine Herabsetzung der monatlichen staatlichen Transferleistungen oder des Kindergeldes wirkt sich schneller aus. Der Sozialstaat basiert auf dem Grundgedanken einer funktionierenden Solidargemeinschaft. Diese ist kein Selbstbedienungsladen ohne Gegenleistungsverpflichtung. Wenn die Menschen staatlich alimentiert werden, darf die Gemeinschaft erwarten, dass die Kinder wenigstens in die Schule geschickt werden, damit sie einen anderen Weg einschlagen und in ihrem späteren Leben auf eigenen Beinen stehen können.
Das Familiengericht kann darüber hinaus eine Tages- oder Familienpflege anordnen, das Kind vollständig aus dem Haushalt
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