Das Ende der Geschichten (German Edition)
gehören Bücher, die sich in irgendeiner Form auf Jung beziehen. Das ist jetzt natürlich etwas grob vereinfacht, aber trotzdem ist das alles deine Schuld.» Eigentlich waren es nur sechs Tarot-Decks gewesen, aber ich befürchtete, dass ihn das dann doch zu sehr verstören würde.
«Aha. Tja, möglicherweise erklärt meine Theorie ja auch, wieso das alles meine Schuld ist.»
«Das will ich doch hoffen, wenn es eine Theorie von allem sein soll.»
«Also gut. Los geht’s. Als Erstes muss ich vorausschicken, du hattest recht, als wir uns das letzte Mal darüber unterhalten haben. Es ist tatsächlich eine ziemlich gruselige Vorstellung, dass wir immer wieder in diese Zweitwelt zurückgeboren werden und dort Abenteuer erleben müssen, bis wir mal eins davon richtig machen und vom Omegapunkt aufgesaugt werden, um auf ewig weiterzuleben in diesem, diesem …»
«Diesem Inferno? Diesem moralischen Vakuum?»
«Ja. Also, so ungefähr zumindest, nur dass es eben nicht Vakuum genug ist. Newmans Argumentation enthält gleich am Anfang ein paar logische Fehler, vor allem hinsichtlich der Frage, warum der Omegapunkt uns diesen ganzen Mist überhaupt zumuten sollte, wenn er doch eigentlich ein endloser Augenblick reinster Liebe und vollkommener Allwissenheit ist. Mir ist schon klar, dass das die übliche Art ist, wie wir Menschen Gott in Frage stellen, und dass sie in gewisser Weise beweist, dass es entweder keinen Gott gibt oder dieser Gott schon weiß, dass wir nach dem Tod in den Himmel kommen und alles wieder gut wird. Also habe ich angefangen, mich nochmal neu mit anderen Vorstellungen von Jenseits und Wiedergeburt zu befassen, und die meisten davon führen einen in die Leere, ins Nichts: an einen zutiefst kosmischen, geheimnisvollen Nicht-Ort. Der Omegapunkt von Newman und Tipler dagegen hält einen ewig an der Schwelle zu dieser Leere fest, am Ende der Zeit und am Anfang des Nichts. Da dachte ich mir, das kann nicht stimmen, genau, wie du gesagt hast.»
«Habe ich das gesagt?»
«Aber sicher. Zumindest in etwa. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Newman meint, es wären immer wieder Menschen heroisch genug, Erleuchtung zu finden und anschließend auf den Weg der Vollkommenheit gebracht zu werden. Erinnerst du dich noch, dass angeblich nur die Pizzamampfer zurückbleiben sollen? Da habe ich mich gefragt, wie sich das mit der steigenden Bevölkerungszahl zusammenbringen lässt – vorausgesetzt natürlich, wir sind hier tatsächlich in der Zweitwelt. Es handelt sich ja schließlich um ein System, das man verlassen und in das man auch wieder eintreten kann, in dem man aber nicht mehr neu erschaffen wird. Der Omegapunkt hat schließlich alle ‹möglichen› Menschen bereits am Ende der Zeit erschaffen, es dürften also gar keine Menschen mehr übrig sein, die man noch irgendwie erschaffen kann. Und dann hatte ich es plötzlich. Du weißt ja wahrscheinlich noch, dass ich anfangs auch dem Problem auf die Schliche kommen wollte, warum manche Menschen zaubern können und andere nicht, und warum manche Menschen klug sind und andere dumm. Das hat mich schon immer umgetrieben. Ich erkläre dir das alles jetzt mal vom Anbeginn der Zeit an, und du kannst mir anschließend sagen, was du davon hältst. Viele logische Fehler sind, glaube ich, nicht mehr drin.»
Unsere Pizzen kamen. «Vom Anbeginn der Zeit?», wiederholte ich. «Ich bin beeindruckt.»
«Mach dich nicht über mich lustig. Du wirst schon sehen. Also, vermutlich weißt du ja, dass das erste Element im Universum der Wasserstoff war. Deswegen ist er auch das erste Element im Periodensystem und hat die Ordnungszahl eins. Wie uns der Taoismus lehrt, ist alles aus Leere gemacht, aber abgesehen davon besteht auch alles aus Wasserstoff. Auf diesem einen Atom basieren alle anderen.»
«Könnte man nicht auch sagen, dass alles auf Quarks basiert?»
«Ja, klar. Das spielt im Grunde keine Rolle, weil es nur so eine Art Metapher ist. Wie die chemische Welt sich tatsächlich zusammensetzt, ist nicht wichtig. Also, irgendwie natürlich schon, aber wir brauchen letztendlich nur zu wissen, dass sie aus einem grundlegenden Teil gemacht ist, aus dem auch alle anderen grundlegenden Teile oder Elemente bestehen. Im Grunde besteht alles im Universum aus den verschiedenen Kombinationen dieser Elemente. Es kann mal mehr, mal weniger konkrete ‹Dinge› geben, aber die Gesamtmenge der Materie im Universum bleibt immer gleich. Und Materie ändert ständig ihre Gestalt. Der Käse auf
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