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Das Ende der Geschichten (German Edition)

Das Ende der Geschichten (German Edition)

Titel: Das Ende der Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Scarlett Thomas
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in mein Strickmuster. Anschließend schlug ich die drei Maschen an, die ich brauchte, um am Zeh mit dem Hausschuh anzufangen, und strickte eine Reihe. Das dauerte etwa eine Minute. Für die nächste Reihe musste ich eine zusätzliche Masche aus dem Querfaden herausstricken und dafür erst einmal nach oben gehen, mein Stricken für Anfänger -Buch holen und das Diagramm studieren, um herauszufinden, wie das ging. Danach kochte ich mir einen Kaffee und versuchte es, doch es misslang, und ich musste alles wieder aufribbeln und neu anschlagen. Die wunderschöne silbrigblaue Wolle sah bereits benutzt und schäbig aus. Ich schnitt ein Stück ab und fing noch einmal von vorne an.
    Das war ja wie mit meinem verflixten Roman. Jeder einzelne Gedanke, den ich mir je dazu gemacht hatte, war mir in dem Moment als gute Idee erschienen; aber dann hatte ich eine neue «gute Idee» und musste die vorherige wieder löschen. Im Augenblick fragte ich mich vor allem, wie ich all die Esoterikbücher einbauen sollte. Gut, der Artikel gab meiner Protagonistin Struktur und ein Ziel und brachte sie etwas unter die Leute. Doch wie sollte ich innerhalb des Notizbuchformats klarmachen, dass sie für einen Artikel recherchierte und nicht einfach nur irgendwelchen Blödsinn las? Und inwiefern würden die Bücher meine Protagonistin verändern? Würde sie zu dem Schluss kommen, dass die Wissenschaft über die Unvernunft triumphiert, oder umgekehrt? Gab es eventuell noch andere Möglichkeiten? Seufzend ribbelte ich meine Strickerei noch einmal auf. Immer noch kein Christopher. Langsam bekam ich Hunger.
    Ich plünderte meine Kleingeldspardose in der Hoffnung, vielleicht noch zwei Pfund darin zu entdecken, damit ich mir Fish and Chips zum Abendessen holen konnte und nicht Bohnen auf altem Toast in mich hineinstopfen musste. Doch es waren nur Ein- oder Zwei-Penny-Münzen darin, und ich brachte es nicht über mich, mit einem ganzen Haufen davon in die Imbissbude zu gehen. Falls Christopher jetzt nach Hause kam und fragte – wie er das meistens tat –, was es zum Abendessen gebe, würde ich mit Sicherheit explodieren. Warum konnte er sich nicht auch mal überlegen, was es zum Abendessen geben sollte? Am Ende wurden es dann doch Bohnen und Toast, dazu trank ich einen besonders starken Kaffee und hatte die Zweitwelt aufgeschlagen vor mir. Ob ich nun wollte oder nicht, Newmans neues Buch faszinierte mich, zumal das Zitat von Vi auf der Rückseite stand. Hatte sie mir auch sein erstes Buch geschickt? Um das herauszufinden, musste ich wohl Kontakt zu ihr aufnehmen, aber ich wusste immer noch nicht recht, wie ich das anstellen sollte.
    B. aß mit mir. Jeden Abend füllte ich ihren Fressnapf mit Frolic und einer kleinen Dose Hundefutter. Das Dosenfutter schlang sie sofort herunter und nahm danach ein einzelnes Stück Frolic – nicht größer als ein kleiner Kieselstein – zwischen die Zähne. Sie trug es hinaus in den Flur, warf es in die Luft, rollte sich darauf herum und zerkaute es dann knurpsend, sodass es klang wie ein Soundeffekt aus dem Radio, wenn jemand einen Kiesweg entlanggeht. Anschließend kehrte sie in die Küche zurück und holte sich ein weiteres Stück. Das dauerte eine halbe Ewigkeit. Manchmal tat sie auch so, als würde sie ein Stück Frolic oder ihren Kauknochen vergraben. Natürlich nicht richtig, es gab ja schließlich keine Erde im Haus; doch sie vollführte einen recht natürlich wirkenden Bewegungsablauf, der eindeutig «Vergraben» bedeutete. Die letzte dieser Bewegungen bestand darin, mit der Nase nicht vorhandene Erde über das Frolic-Stück zu schieben. B. ging dabei sehr sorgfältig vor und hatte einen abwesenden Blick, als hielte sie sich für die Heldin irgendeiner hündischen Abenteuergeschichte.
    Während B. und ich unser Abendessen verzehrten, keckerten draußen die Möwen, und ein einsamer Wind wirbelte im Walzertakt die Stufen von Brown’s Hill hinunter und einmal durch die ganze Stadt, bis er schließlich an den Fluss kam, wo er Schiffe fand, mit denen er tanzen und turteln konnte, bis alles klingelte und klirrte.
    Die Zweitwelt bestand aus zwei Teilen. Der erste, mit dem Titel Die Wissenschaft von der Zweitwelt , fasste noch einmal die Vorstellung zusammen, dass wir am Ende der Zeit immer und immer wieder in eine Welt hineingeboren werden, die vom Omegapunkt, seinerseits aus Energeia gemacht, erschaffen wurde und in ihm enthalten ist. Der zweite Teil hieß Die Reise des Helden und war offenbar stark von Joseph

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