Das Ende der Geschichten (German Edition)
aktivieren.»
«Sein was?»
«Das hat man mitten auf der Stirn.»
«Aha. Sonst nichts? Gut, das habe ich. Also, was brauchst du?»
Ich hatte geglaubt, nicht zu wissen, was ich brauchte, doch jetzt sagte ich: «Geld.» Ich holte tief Luft und spürte das asthmatische Rasseln in der Lunge. «Und weißt du was noch?», fuhr ich hustend fort. «Ich will aus diesem mistigen, feuchten Haus hier ausziehen. Ich will, dass Christopher sich endlich für mich interessiert. Und ich will mehr Leidenschaft in meinem Leben. Ich will endlich wissen, wie ich meinen Roman schreiben soll. Oh, und ich würde gern Socken stricken können.»
Libby lachte. «Wenn’s weiter nichts ist. Gut. Und was will ich?»
«Das weiß ich nicht. Was willst du denn?»
Sie seufzte. «Ach Gott. Das ist schwierig.»
«Willst du Mark?»
«Weiß nicht. Ich glaube schon.» Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern, und gleichzeitig setzte im Hintergrund eine E-Gitarre mit einer beachtlichen Menge Hall dahinter ein. Ich hörte eine Tür zuklappen, die Gitarrenklänge wurden leiser, und Libbys Stimme klang wieder normal. «Ich bin jetzt in der Küche.» Sie seufzte. «Ja, klar will ich Mark. Aber ich will auch, dass Bob mich nicht hasst. Außerdem will ich, dass das Essen am Samstag keine Katastrophe wird, und ich wünsche mir wirklich, dass meine Wolle endlich ankommt, damit ich anfangen kann, das Labyrinth zu stricken …»
«Ich dachte, das bauen bereits ein paar starke Männer?»
«Sehr witzig. Habe ich dir nicht von diesem schrägen Buch erzählt, das ich mir gekauft habe? Es heißt Strick Deine Phantasie! . Die alte Mary hat mich beim Strickkränzchen damit gesehen und hat darin nach Anregungen für Tombola-Preise gesucht. Du weißt doch, dass sie zur Eröffnung des Labyrinths eine Tombola veranstalten wollen? Dann kam sie auf die Idee, dass wir auf Basis der Pläne doch eigentlich das Labyrinth nachstricken und es dann in eine Landschaft einnähen könnten. Sie will auch noch einen Zauberwald stricken und ein paar Fabeltiere. Also stricke ich jetzt das Labyrinth und ein paar Bäume, und die alte Mary strickt die Landschaft und den übrigen Wald. Ich weiß eigentlich gar nicht, warum es unbedingt ein Wald sein muss, aber die alte Mary findet, das wäre eine Herausforderung. Hast du übrigens deine Wolle gekriegt?»
«Ja. Sie ist silberblau mit ein bisschen Mohair drin. Und ich habe mir ein Strickmuster für Hausschuhe gekauft. Aber ich weiß wirklich nicht, wann ich die Zeit dafür finden soll, schließlich muss ich ja diesen Artikel schreiben und meinen Roman. Man soll sie ‹spannen›, wenn sie fertig sind. Das hätte ich mit meinem Schal auch machen sollen. Lohnt sich das?»
«Ja.»
«Oh. Es klang irgendwie eher langweilig. Muss man die Sachen wirklich auf ein Brett heften?»
«Je nachdem. Meistens ziehe ich sie nur auf einem Handtuch zurecht und lasse sie dann auf einem leeren Tisch trocknen.»
«Ich habe keinen leeren Tisch. Warte mal kurz.»
Ich legte das Telefon auf die Sofalehne und zog meine Strickjacke aus. Es wurde zwar nie richtig warm im Haus, nicht einmal im Sommer, doch während ich mit Libby telefonierte, war es irgendwie immer schwüler geworden, als gäbe es bald ein Gewitter. Als ich wieder nach dem Telefon griff, zuckte draußen ein Blitz auf. «Oje», sagte ich zu Libby. «Es blitzt.»
«Wo?»
«Hast du’s nicht gesehen?»
«Nein.»
«Das musst du doch gesehen haben!»
«Wahrscheinlich hast du es dir nur eingebildet. Also, worum soll ich das Universum denn für mich bitten?»
«Weiß auch nicht. Um wahre Liebe?»
«Mannomann. Du willst vor allem Geld, und ich will Liebe, obwohl ich gegen ein bisschen eigenes Geld auch nichts einzuwenden hätte, und außerdem würde ich gern besser gärtnern können. Was gibt es eigentlich noch außer Geld, Liebe und schöpferischer Begabung?»
«Friede auf Erden?»
«Wenn alle Geld und Liebe und schöpferische Begabung hätten, bräuchten wir gar keinen Frieden auf Erden mehr. Na gut. Ja, ich will Liebe. Ich will Mark. Aber sag mal … was würde denn passieren, wenn Bob dieses Buch in die Finger kriegt und beim Universum bestellt, dass ich ihn mehr liebe als Mark?»
«Das wäre wahrscheinlich der Weltuntergang», erwiderte ich.
***
Bis acht hatte es nicht noch einmal geblitzt, und Christopher war immer noch nicht zu Hause. Er hatte kein Handy, und ich überlegte, ob ich seinen Vater anrufen sollte, doch dann ließ ich es. Stattdessen vertiefte ich mich eine Zeit lang
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