Das Ende der Geschichten (German Edition)
was eh nur Kopfschmerzen kriegen.»
«Die habe ich schon», sagte ich. «Ich finde das alles furchtbar deprimierend, obwohl ich gar nicht recht weiß, warum. Oder doch, ich weiß es. Früher war ich immer latent genervt von diesen Berufsskeptikern in den großen Zeitungen, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, sich über Homöopathie, Gott, Synchronizität und solche Sachen zu ereifern, weil sie es selbst nie geschafft haben, über den Tellerrand ihrer eigenen Gefühle zu schauen, und vor lauter Wut mindestens genauso fanatisch rüberkommen wie die Überzeugungen, die sie kritisieren. Ich fand solche Leute immer schlecht für das Image der Wissenschaft. Schließlich muss es der Wissenschaft doch darum gehen, unerwartete Fragen zu stellen, und nicht darum, Debatten einfach abzuwürgen. Aber jetzt kann ich wirklich richtig verstehen, was sie antreibt. Ich meine, dieser ganze Esoterik-Mist ist doch zum Großteil reine Geschäftemacherei. Die Hälfte der Bücher fordert einen am Ende dazu auf, sich bei einer kostenpflichtigen Website anzumelden, wenn man mehr zu dem Thema erfahren will, so wie diese Horoskope in den Boulevardblättern, die zwei Sätze über den Beruf schreiben und dann eine Nummer angeben, die man anrufen muss, wenn man wissen will, wie es in der Woche mit der Liebe aussieht. Wie können diese Leute anderen so was antun? Wie können sie die Wünsche und Hoffnungen verletzlicher Mitmenschen derart ausnutzen?»
«Vielleicht macht es denen ja einfach Spaß, von solchen Dingen zu träumen. Vielleicht glauben sie eigentlich gar nicht daran.»
«Die Hälfte dieser Bücher verspricht, das Liebesleben und die Karriereaussichten ihrer Leser zu verbessern. Man wird also irgendwie dazu angehalten, daran zu glauben.»
«Das ist beschissen.»
«Absolut.»
«Hältst du es für möglich, dass du eigentlich wegen Drew und Rosa sauer bist und das jetzt auf die Bücher projizierst?»
«Keine Ahnung. Kann schon sein. Und Christopher ist auch verschwunden. Aber im Ernst, diese Bücher sind so was von furchtbar. Wenn du sie sehen könntest …»
«Ach, was soll’s?», meinte Libby. «Bestellen wir einfach was beim Universum.»
Ich musste lachen. «Wir wissen doch gar nicht, wie das geht.»
«So schwierig kann das ja wohl nicht sein, wenn das Buch so kurz ist. Also, was muss man tun?»
Ich blätterte in dem Buch. «Hm. Na ja, von mir aus, das kann ich dann wenigstens für meinen Artikel verwenden. Hatte ich schon erwähnt, dass es ein Gonzo-Artikel sein soll?»
«Was ist das denn?»
«Eine Reportage, bei der man das, worüber man schreibt, selber ausprobiert. Wenn man also beispielsweise über Wrestling schreibt, muss man selbst einmal in den Ring steigen. Oder man versucht, selber den größten Kürbis zu züchten, anstatt einfach nur über das Dorffest zu berichten. Es ist ein bisschen wie Reiseliteratur, weil der Autor immer auch Teil der Geschichte ist. Aber eigentlich weiß ich gar nicht, ob ich überhaupt Teil dieser Geschichte sein will. Dafür müsste ich mich ja total zum Affen machen.»
«Aber was bringt es denn im Idealfall, wenn man Teil der Geschichte ist?»
«Man kann herausfinden, wie etwas wirklich ist, anstatt immer nur Vermutungen darüber anzustellen. Ein Freund von mir sagt immer, der Mensch ist wie ein großer Computer, der alles verarbeitet, was Maschinen nicht schaffen: Gefühle, Stimmungen und so weiter. Für den Menschen ist keine Gleichung zu groß. Und irgendwie stimmt das auch. Man lernt nichts über die Liebe, indem man Bücher liest. Man muss sie erleben, erst recht, wenn man darüber schreiben will.»
«Aber wenn man Erfahrungen sowieso nur durch Erfahrungen macht und nicht durch Bücher, wozu schreibt man dann noch Bücher über die eigenen Erfahrungen?»
«Wahrscheinlich, weil man pro Leben nur eine begrenzte Anzahl von Erfahrungen machen kann und jeder etwas anderes erlebt und darüber schreibt. Oder vielleicht möchte man, wenn man Liebe, Hass oder sonst etwas auf eine bestimmte Weise erlebt hat, gern darüber lesen, wie andere das auf andere Weise erleben. Du stellst aber auch immer komplizierte Fragen.»
«Tut mir leid. Also … Bestellungen beim Universum.»
Ich überflog ein paar Seiten.
«Okay. Erst mal muss man daran glauben, dass jeder mit jedem verbunden ist, was nicht so schwierig ist, nachdem wir ja alle vom selben Vorfahr abstammen, und dann, blablabla, bittet man das Universum einfach um etwas. Jede Menge Geschwafel. Ach, und man muss sein drittes Auge
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