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Das Ende der Liebe

Das Ende der Liebe

Titel: Das Ende der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Hillenkamp
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Vergangenheit angehören; und drittens als Möglichkeit der Teile der Teile, also die Möglichkeit eines – vollkommenen – Körperteils ohne den unvollkommenen Rest eines Körpers, einer – liebevollen – Handlung einer Person ohne den unerträglichen Rest des Handelns dieser Person, einer – schönen – Zeit mit einer Person ohne den Rest der Zeit mit ihr, der furchtbar war.
    Eine Frau sehnt sich also nach T.s Händen und D.s Mund im Winter mit R…
    Die freien Menschen, die sehr vielen anderen Menschen begegnen, hören auf, jeden einzelnen Menschen als ein Chaos , eine Unüberschaubarkeit wahrzunehmen. Sie beginnen stattdessen, nur noch positive und negative Wiederholungen wahrzunehmen. Sie nehmen nur noch wahr, was [160] der Andere mit anderen gemein hat, was ihn einer Gruppe zuordnet.
    Die Menschen sagen: »Das ist wieder einer von denen, die …« Sie entwickeln ein serielles Denken. Sie machen aus der großen, unüberschaubaren Zahl der Begegnungen mit verschiedenen Menschen eine kleine, überschaubare Zahl der Begegnungen mit verschiedenen Typen von Menschen – wobei das Positive in der Wiederholung weniger positiv , das Negative in der Wiederholung aber negativer wird. Jede enttäuschende Beobachtung ist die Beobachtung einer enttäuschenden Wiederholung. So wächst neben der Hydra der Liebe eine Hydra der Enttäuschung . Die Menschen, die endlos suchen, ordnen jeden neuen Menschen, dem sie begegnen, sofort ihrem Enttäuschungssystem , der Hydra der Enttäuschung zu.
    Die freien Menschen, die permanent wählen müssen, verfeinern ihren Geschmack. Auf diese Weise wollen sie alles Enttäuschende vermeiden, das früher Beglückende wiederfinden – ob es sich um Weine, Filme oder Menschen handelt. Die Unendlichkeit ist immer auch die Unendlichkeit des Schlechten, Enttäuschenden. Die Menschen wollen keine Zeit mehr verschwenden. Sie haben schon zu viel verschwendet. Sie sind schon zu oft enttäuscht worden. Sie wollen sich schützen.
    Also brauchen sie einen verfeinerten Geschmacks, um handlungsfähig zu bleiben, um effizient und so gut es geht geschützt zu sein. Darum sind die freien Menschen Kenner – Weinkenner, Filmkenner, Menschenkenner. Je weiter der Horizont der Möglichkeiten sich vor ihnen öffnet, umso enger wird ihr Blick. Die Überheblichkeit der Menschen, ihr Überdruss und allgemeiner Vorab-Ekel sollen ihnen helfen, das unmenschlich Maßlose wieder aufs Menschliche zu reduzieren, [161] die Unendlichkeit auf ein Endliches, vielmehr: die gemischte, auch schlechte Unendlichkeit auf die Unendlichkeit des Guten und Beglückenden zu reduzieren und eine Wahl zu treffen.
    Im Fall der Liebe aber überschreitet der feine Geschmack notwendig seinen Gegenstand. Es gibt Spitzenweine, Spitzenfilme, aber keine Spitzenmenschen.
    Das liegt daran, dass ein Mensch Tag für Tag genossen werden muss, nicht einmal, nicht ab und zu. Es liegt daran, dass Menschen vielgestaltiger sind als Weine und Filme, dass auch der feinste Mensch ein Ungeheuer ist, das seine Nächsten terrorisiert.
    Es liegt schließlich daran, dass derjenige, der einen sucht, der seinem Geschmack entspricht, diesem schon vorab alles nimmt, was ihn doch ausmachen soll: die Einzigartigkeit, die sich noch in keinem Geschmack abgebildet hat (die Menschen suchen ja weiterhin nach der Einzigartigkeit, auch wenn sie in der Realität jede Einzigartigkeit enttäuschend finden); eine Überraschung, ein Bruch durch etwas Unbekanntes zu sein; eine Überschreitung des Liebenden, der im Anderen eine Unendlichkeit sehen will, keine Entsprechung seines eigenen – notwendig beschränkten – Geschmacks. Denn Geschmack, das bedeutet ja: Ausschluss, Genauigkeit, Endlichkeit. Der Geliebte aber muss ein Unübersehbarer sein. Ohne Adjektiv.
    »Und? Wie ist er?«
    »Unbeschreiblich.«
    Die Liebe ist eine Geschmacklosigkeit. Oder sie ist gar nicht.
    Ein Mensch, der wählen muss, will seine Entscheidung außerdem gut begründen . Aus der Wahrnehmung einer großen Auswahl entsteht notwendig eine Rationalisierung des Wählens. Wer wählen muss, beginnt, seine Möglichkeiten zu vergleichen, [162] über sie nachzudenken und nach guten Gründen für eine zu suchen. Er kann nicht einfach fernsehen oder Radio hören, bloß einschalten , sondern muss einen Film, eine Sendung wählen – im Vergleich mit allen anderen, beruhend auf guten, rationalen Gründen.
    Die freien Menschen entwickeln mehr und mehr Kriterien für eine Partnerwahl. Sie fragen: »Aus welchem Grund

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