Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)

Titel: Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Rosin
Vom Netzwerk:
Durch das so entstehende Chaos wird deutlich, wie absurd ein solcher Rollentausch ist. Ricky und Fred tragen Frauenkleidung mit geblümter Schürze und Kopftuch. Zum Abendessen lassen sie zwei Hühner explodieren, produzieren einen Vulkanausbruch von Reis und backen einen Kuchen mit sieben Schichten, der flach wird wie ein Pfannkuchen. Die Küche hinterlassen sie in einem katastrophalen Zustand. Den Frauen ergeht es nicht besser. Sie bekommen Stellen in einer Schokoladenfabrik, was zu einer berühmten Szene führt: Die Schokoladenbonbons kommen auf dem Fließband angerast, und Ethel und Lucy stopfen sie sich, überwältigt von der Geschwindigkeit und in schrecklicher Angst vor dem Boss, in den Mund, in die Kochmütze und in die Schürzentaschen. Die Frauen kommen ganz heiser und erschöpft nach Hause und brennen darauf, die natürliche Ordnung der Dinge wiederherzustellen. »Wir sind nicht besonders gut darin, die Brötchen zu verdienen«, gibt Lucy zu, und Ricky sagt: »Machen wir es wieder wie vorher.«
    Kaum zwei Generationen später ist die Hausfrau im amerikanischen Fernsehen eine aussterbende Gattung, es sei denn, man zählt die Real Housewives der gleichnamigen Realityshow mit. Die ließen sich freilich nicht einmal tot in einer geblümten Schürze erwischen, es sei denn, sie gehörte zu einer Verkleidung als sexy Dienstmädchen. In den Jahren zwischen I Love Lucy und Real Housewives setzten sich die Lucys und Rickys im wirklichen Leben an den amerikanischen Küchentisch, und Lucy legte die neuen Regeln fest. Als dies geschah, arbeitete Lucy schon, vielleicht als Headhunterin oder als Verlegerin oder als Agentin in Hollywood. Ricky ging immer noch seinen »kreativen Hobbys« nach. Lucy verdiente mindestens genauso viel wie er, und in manchen Jahren auch mehr. Sie, eine ganz neue Art von Frau, stellte Leute ein und feuerte sie, wurde befördert und kam abends nach Hause und brachte den kleinen Ricky ins Bett. Der große Ricky half auch bei der Erziehung, indem er den Jungen hin und wieder vom Kindergarten abholte oder mit ihm am Samstagmorgen auf den Spielplatz ging, damit Lucy zum Spinning ins Fitnesscenter gehen konnte. Außerdem hatte er inzwischen auch gelernt, wie man ein Huhn brät. Das war doch was, oder? Doch Lucy hatte sich an eine Trittfrequenz gewöhnt, mit der sie selbst zufrieden war, und wollte immer noch mehr.
    Inzwischen ist »Machen wir es wieder wie vorher« keine reale Möglichkeit mehr. Im Jahr 1970 verdienten Frauen in den USA 2 bis 6 Prozent des Familieneinkommens. Heute verdient die durchschnittliche amerikanische Ehefrau 42,2 Prozent. Mehr als ein Drittel der Mütter in den Vereinigten Staaten und Großbritannien sind Haupternährer der Familie, entweder weil sie Singles sind, oder weil sie mehr verdienen als ihr Ehemann. Diese zweite Kategorie der Ehefrau als Hauptverdiener, die auch als »Alpha-Ehefrau« bezeichnet wird, ist eine besondere Erschütterung für das traditionelle Ehesystem, wenn man bedenkt, dass sie einst als genauso bizarr und exotisch galt, wie ein korpulenter Mann mit rüschenbesetzter Schürze. Innerhalb einer Generation werden Familien mit Alpha-Ehefrauen nach demografischen Erkenntnissen die Mehrheit der amerikanischen Familien bilden, und die Familienstruktur in Europa und einigen lateinamerikanischen und asiatischen Ländern wird sich ganz ähnlich entwickeln. Tatsächlich ist die Frage, ob Mütter arbeiten sollten, die in der Episode von I Love Lucy behandelt und heute in anderer Form wieder aufgegriffen wird, irrelevant, »weil sie es einfach tun«, wie es Heather Boushey von dem US -amerikanischen Thinktank Center for American Progress formuliert. »Die idealisierte Familie – er arbeitet und sie bleibt zu Hause – existiert heute fast gar nicht mehr.«
    Im begrenzten Rahmen intimer Beziehungen hat die wachsende wirtschaftliche Macht der Frauen sehr viel bewirkt. Für die 70 Prozent Amerikaner ohne Hochschulabschluss geht der Aufstieg der Frau als Familienernährerin mit der Zerstörung der Familie einher. Die Frauen entscheiden sich eher dafür, allein zu bleiben, als einen Mann zu heiraten, der seinen Part als Familienernährer nicht übernehmen kann. Die Scheidungsrate ist immer noch so hoch wie in den 1970er Jahren, und jedes Jahr heiraten weniger Paare, bevor sie Kinder bekommen. In Washington, D. C., zum Beispiel sind erstaunliche 63,8 Prozent der Mütter Haupternährerin ihrer Familie, was vor allem daher kommt, dass es in dieser Stadt besonders viele

Weitere Kostenlose Bücher