Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
aus kleinen Figuren bestand. Weiter unten an der Straße befindet sich ein Haus für verfolgte Schriftsteller, das mit den chinesischen Gedichten eines dankbaren Flüchtlings dekoriert ist; einen Block weiter liegt die alte Matratzenfabrik, die heute ein namhaftes Museum für moderne Kunst beherbergt. Die Gegend ist voller Exzentriker und Rebellen, aber das ist es nicht, was Steven und Sarah, wenigstens langfristig, anzieht. Sie gehören zu den Gentrifizierern des Viertels, und was sie wollen, ist ein ruhiges und sicheres Leben für sich selbst, ihren 22 Monate alten Sohn Xavier und das Baby, das Sarah erwartet.
Sarah geht morgens meistens kurz vor acht aus dem Haus, etwa eine Stunde bevor Steven und Xavier zum Frühstück in die Küche herunterkommen (das ihnen Sarah oft auf der Küchentheke bereitstellt). Ein Soziologe, der eine kurze Beziehungsgeschichte von Steven und Sarah schreiben will, könnte sie zunächst fälschlich für »geborene Eheleute« halten, für ein Paar alten Stils, das einfach in die Ehe und das Leben hineinstolpert, ohne groß nachzudenken und zu planen. Sie lernten sich an der Highschool bei den Proben für eine Theateraufführung von Ordinary People kennen, wo sie in den Pausen hinter der Bühne Karten spielten. Tatsächlich jedoch sind der 37-jährige Steven und die 32-jährige Sarah perfekte »Eheplaner« und entsprechen damit voll dem heute bei Akademikern dominierenden Ehemodell.
Seit ihrer frühen Zufallsbegegnung planen sie einfach alles: wann genau Sarah schwanger werden, wie lange sie in welchem Job arbeiten und wie viel Geld sie verdienen wird. Sie verhandeln über jedes kleine Detail und ihre jeweiligen Ansprüche wie Topmanager bei Fusionsverhandlungen. Tatsächlich haben sie sogar ein Papier, dass sie als den »Masterplan« bezeichnen und auf dem beide für jedes einzelne Jahr ihre Pflichten und Verantwortungsbereiche aufschreiben. Im Moment besteht Sarahs Rolle darin, »die Familie zu ernähren« und »viel Geld zu verdienen«. Deshalb hat sie nach dem Studium eine Stelle in einer Anwaltskanzlei angenommen, für die sie 80 Stunden in der Woche arbeitet. Als Gegenleistung bekam sie das erste Kind früher, als Steven eigentlich wollte. Jetzt studiert er abends an der juristischen Fakultät, passt tagsüber auf Xavier auf und gibt den »mittelmäßigen Hausmann«.
Ihm gefällt dieser Ausdruck. Er wiederholt ihn häufig, wie eine Berufsbezeichnung, fast genauso oft, wie er Sarah als »Superstar« bezeichnet. Zu folgenden Leistungen hat er sich verpflichtet: Er sorgt dafür, dass »das Kind einigermaßen zufrieden und das Haus halbwegs sauber ist«. Er holt gelegentlich Sachen in der Umgebung ab, aber er macht nicht die Wäsche, und er kocht auch nicht. Mit seinem T-Shirt, auf dem eine Rockband prangt, seinem Dreitagebart und seinen schwarzen Keds könnte er als Brooklyn-Hipster durchgehen. (Ja, Xavier, den die beiden X nennen, besitzt ein dazu passendes Turnschuhpaar, obwohl er offenbar meistens lieber barfuß läuft.) Aber Steven ist auch handwerklich begabt, nicht weil er sich irgendein retroproletarisches Ich-schraube-also-bin-ich-Ethos zugelegt hätte, sondern weil sein Vater tatsächlich Werklehrer war und ihm beibrachte, wie man Dinge repariert oder baut. Stevens bemerkenswerteste Eigenschaft besteht darin, dass er seine Grenzen kennt, weshalb er viel weniger defensiv ist, als es andere Männer in seiner Lage vielleicht wären. »Frauen können offenbar besser verschiedene Aufgaben gleichzeitig erledigen als Männer«, sagt er. »Wenn X für zehn Minuten beschäftigt ist, dann macht Sarah den Abwasch und fängt mit der Wäsche an. Ich kann nicht so schnell umschalten. Ein Kleinkind macht mich komplett unproduktiv. Ich kann kein Multitasking.«
Ich verbrachte ein paar Sommernachmittage mit Steven und Xavier und einem Freund aus Italien, der gerade auf Besuch da war. Wie es oft mit Kleinkindern passiert, haben wir die Zeit planlos verbracht: Xavier trug ein paar Zweige von der einen Seite des Gartens auf die andere. Steven wollte eigentlich ein bisschen Unkraut jäten, aber es war zu heiß, also hörte er gleich wieder auf. Im Gegensatz zu den meisten Müttern aus meinem Bekanntenkreis versuchte Steven nicht, die Zeit mit einem rigiden Programm zu füllen. Es gab keine Essenspause, keine Musikstunde, keinen Spaziergang in den Park, keine Auszeiten oder Sprachübungen. Xavier hatte einen Ausschlag, und Steven stimmte ihm zu, dass »das bestimmt übel brennt«, also füllte er
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