Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
anstatt sie weiterhin einfach nur zwischen den Institutionen hin- und herzuschieben.
Die Mitglieder der Kommission wählten eine Gruppe von 19 Hochschulen aus, die folgende Grundkategorien von Einrichtungen abdecken sollte: große, kleine, religiöse, solche mit strengen Zulassungskriterien, solche mit weniger strengen Zulassungskriterien und traditionell afroamerikanische. Sie beschränkten sich auf die Mittelatlantikstaaten, weil sie davon ausgingen, dass die dortigen Hochschulen ihnen gegenüber eine klarer definierte Informationspflicht hatten. Im Lauf eines Jahres erhob die Kommission Daten bei fast all diesen Hochschulen, obwohl die meisten, wie mir Heriot erzählte, das Material nur widerstrebend herausrückten. Die elitärsten Universitäten der Gruppe, die Johns Hopkins University und die Georgetown University, nahmen nur unter der Bedingung an der Untersuchung teil, dass sie die Daten anhand der Erhebungsprotokolle über die Gruppe selbst auswerten dürften.
In jenem Jahr erkundigte ich mich in regelmäßigen Abständen nach den Fortschritten der Untersuchung. Falls die Kommission ein Handlungsmuster entdeckte, musste es meiner Ansicht nach für eine ziemlich massive konzeptionelle Veränderung stehen: Ausgerechnet in einer Institution, die im Lauf der letzten 100 Jahre als das wichtigste einzelne Instrument der sozialen Mobilität betrachtet worden war, wurden Männer nun offiziell wie Underdogs behandelt, nämlich in den angesehenen Privatuniversitäten des Landes, die bis vor kurzem noch als Ausbildungsstätten der künftigen männlichen Elite gedient hatten.
Als ich mich irgendwann im April 2011 nach den jüngsten Ergebnissen der Untersuchung erkundigte, konnte ich über die Arbeit der Kommission plötzlich keine neuen Informationen mehr bekommen. Ich wandte mich an Heriot, um herauszufinden, was passiert war, und erwischte sie in einem glücklichen Moment. Sie war so wütend, dass sie redete. »Es ist verdächtig, nicht wahr?« war das Erste, was sie sagte. Offenbar hatten die Mitglieder der Kommission einen Monat zuvor ohne Vorwarnung dafür gestimmt, die Untersuchung einzustellen. Als offizieller Grund wurden »unzureichende Daten« angegeben – ein sehr schwacher Grund, wie Heriot betonte, da der Berg roher Daten, den sie gerade zu analysieren begonnen hätten, sehr viel ergiebiger gewesen sei als alles, was sie je zuvor in der Hand gehabt hätten. Heriot hatte zu diesem Zeitpunkt schon genug von den Daten gesehen, um zu vermuten, dass »es Beweise für absichtliche Diskriminierung gibt. Das heißt, dass die Zulassungsstellen bei ihren Entscheidungen berücksichtigen, wer männlich und wer weiblich ist.«
Für die plötzliche Einstellung der Untersuchung waren offensichtlich politische Gründe verantwortlich, aber andere, als man reflexhaft annehmen könnte. Zwischen dem Beginn der Untersuchung und ihrem abrupten Ende waren zwei Kommissionsmitglieder, die unter der Regierung Bush ernannt worden waren, durch Kandidaten der Obama-Administration ersetzt worden, wodurch die Kommission eine demokratische Mehrheit erhielt. Progressive Demokraten, die sich für Bürgerrechte interessieren, hätten eigentlich mit Begeisterung beweisen müssen, dass ein Haufen anerkannter privater Institutionen in großem Maßstab hart arbeitende Frauen diskriminierte. Wer sich jedoch mit dem größeren Zusammenhang auseinandersetzte, durch den diese Diskriminierung verursacht wurde, konnte sich durch eine ganz andere Art von Erkenntnis bedroht fühlen: Er musste sich von der Annahme verabschieden, dass junge Frauen in bestimmten Elitebereichen der Gesellschaft immer noch zu kämpfen hatten. Ja, er musste sich eingestehen, dass es in diesen Bereichen tatsächlich die Männer waren, die Hilfe brauchten.
Diese Umkehr der Kräfteverhältnisse an den amerikanischen Universitäten war eigentlich schon längst eine unübersehbare Tatsache, aber sie war zu beunruhigend für die linken Mitglieder der Kommission und vermutlich auch für die rechten. (Welcher Republikaner möchte sich eine solche Verwundbarkeit der Männer schon gern eingestehen?) Doch die Kommission tat nur, was der Rest des Landes angesichts der Geschlechterstatistik der Hochschulen ebenfalls tat. Sie tat so, als sei diese weder außergewöhnlich noch bedeutungsvoll. Tatsächlich jedoch ist die Vorherrschaft der Frau an den Universitäten wahrscheinlich die seltsamste und tiefgreifendste Veränderung des Jahrhunderts, zumal sie fast überall auf der Welt ganz
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