Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
mehr dominieren. Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Goldin hat die medizinischen Fachrichtungen genauer unter die Lupe genommen und im Hinblick auf die Frage untersucht, warum sich Frauen für bestimmte Richtungen häufiger entscheiden als für andere. Wie sich herausstellte, hat beispielsweise die Vorliebe für Kinderheilkunde im Vergleich zur Hirnchirurgie weniger mit Kinderliebe oder damit zu tun, dass Frauen sich davor ekeln würden, ein Gehirn aufzuschneiden, sondern viel mehr mit der freieren Zeiteinteilung. Auch die Gastroenterologie ist dafür ein perfektes Beispiel. Jahrelang war dort der Frauenanteil am niedrigsten. Nur 5 Prozent der Gastroenterologen im Alter von 55 bis 64 Jahren sind weiblich, doch unter den jüngeren – unter 30 Jahren – liegt ihr Anteil bei 30 Prozent. Was war geschehen? Haben Frauen eine plötzliche Vorliebe für Rektaluntersuchungen entwickelt? Die Antwort ist bei den regelmäßigen Arbeitszeiten zu finden. Durch die wachsende Zahl planbarer Routinekontrollen und Darmspiegelungen ist die Gastroenterologie ein Fachgebiet geworden, das einen geregelten Tagesablauf ermöglicht und daher attraktiv für Frauen ist.
Ein weiteres Beispiel ist die Tiermedizin. In letzter Zeit wurde sie praktisch von den Frauen komplett übernommen. Liegt das daran, dass Frauen im Vergleich zu Männern die größeren Tierfreunde sind? Nicht unbedingt. Früher führte ein Tierarzt ein ähnliches Leben wie ein selbstständiger Apotheker – ein Unternehmer mit unvorhersehbaren Arbeitszeiten und Nachtschichten. Heute verteilen sich diese Aufgaben auf regionale Tierkliniken mit festangestellten Tierärzten in verschiedenen Schichten. Frauen sind in den Berufen erfolgreich, in denen sie niedrige »Karrierekosten« haben, wie Goldin die Nachteile nennt, die entstehen können, wenn man sich Auszeiten nimmt oder anderweitig vom üblichen Karriereweg abweicht. Das heißt jedoch nicht, dass Frauen bei der Karriere Kompromisse machen. Frauen nutzen neue Technologien und innovative Arbeitskonzepte. Anders ausgedrückt, steht ihr Aufstieg im Zusammenhang mit der zukunftsorientierten Gestaltung der Arbeit und des Arbeitsplatzes.
Was einst als typisch weibliches Anliegen galt, ist mittlerweile für eine wachsende Zahl von Arbeitnehmern von Bedeutung. Umfragen bei der Generation Y ergeben, dass Männer und Frauen fast dieselben Vorstellungen von ihrem Arbeitsplatz und Wünsche im Berufsleben haben wie eine 40-jährige berufstätige Mutter: Flexibilität, die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, zwischen Voll- und Teilzeit zu wechseln, sowie der Wunsch nach einer sinnvollen Tätigkeit, wie aus einem 2009 erschienenen Artikel in der Harvard Business Review hervorgeht. »Warum sollte ich mir wünschen, zwölf Stunden am Tag im Büro zu hocken?«, fragte ein junger Betriebswirtschaftler. »Ich will schließlich auch noch leben.« Unternehmen, die talentierte junge Arbeits- und Führungskräfte anlocken wollen, gehen auf solche Wünsche ein. Die Unternehmensberatung Deloitte zum Beispiel rief ein Programm ins Leben, das heute als vorbildlich gilt. Unter dem Namen Mass Career Customization können Angestellte ihre Arbeitszeit auf ihren jeweiligen Lebensabschnitt abstimmen. Das Programm, heißt es bei Deloitte, löse »ein komplexes Problem – das nicht mehr als rein weibliches Anliegen bezeichnet werden kann«. Frauen haben die Blaupause für den Arbeitsplatz der Zukunft vorgelegt. Nun bleibt nur noch die Frage, ob sich die Männer wirklich anpassen werden.
Gegen halb neun Uhr abends – zwölf Stunden nach seinem Aufbruch – kehrt Billy von seinem Angelausflug zurück. Hannah und ich sitzen auf der Couch und unterhalten uns über ihr anstehendes praktisches Jahr. Wir erörtern gerade die Frage, ob sie lieber in einer unabhängigen Apotheke oder für eine Kette arbeiten will, als Billy aus der Küche kommt und uns seinen Fang des Tages präsentiert, einen 79 Zentimeter langen Hecht. »Tropfst du?«, fragt Hannah. Und zu mir: »Er hat getropft.«
Billy ist müde und hat eigentlich keine Lust mehr, den Fisch gleich auszunehmen und zu zerlegen, aber Hannah sagt, er muss, es wäre eine »Verschwendung«, wenn er es nicht täte, außerdem könne der Fisch stinken, wenn er ihn über Nacht auf der Ladefläche des Pick-ups lasse. Unten im Keller, an einem Tisch neben dem Waschbecken, macht sich Billy an die Arbeit. Er hat einen Eimer für Gräten und Blut sowie zwei Messer, eins für die Gräten und eins für das Fleisch.
Weitere Kostenlose Bücher