Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
angeklagt wurde, ihren getrennt lebenden Ehemann mit Thallium vergiftet zu haben, einem giftigen Metall, das in den 1970er Jahren verboten wurde. Die Mordwaffen dieser neuen Art von Giftmörderinnen sind nicht die Massenware, die einer normalen unglücklichen Hausfrau zur Verfügung steht, sondern Chemikalien, zu denen nur hochqualifizierte Personen mit einer eindrucksvollen Stelle bei einer biochemischen oder pharmazeutischen Firma Zugang haben. (Ein Blogger gab in Bezug auf den Fall Larissa Schuster seinen männlichen Lesern folgenden Rat: »Wenn ihr daran denkt, eine Biochemikerin zu heiraten, überlegt es euch lieber noch einmal.«) Die neuen Morde sind nicht mehr auf die Unterdrückung der Frau zurückzuführen, sondern darauf, dass diese inzwischen in wissenschaftliche Bereiche vordringt, die früher Männern vorbehalten waren. Die alte Vorstellung von der Giftmörderin beruhte auf der Furcht, dass Frauen aus Wut über die Dominanz der Männer ihre Waffen im Haushalt nutzen könnten, um dem Unterdrücker sozusagen passiv den Tod zu bringen. Die neue Vorstellung beruht dagegen auf der Furcht, dass Frauen Gewalt ausüben und ihr Spezialwissen einsetzen könnten, um zu kriegen, was sie wollen. Auch wenn die oben beschriebenen Fälle noch durchaus vereinzelt und exotisch sind, lassen sie doch die beunruhigende Möglichkeit ahnen, dass die bisher männertypische Eskalation von der bloßen Konkurrenz zu Aggression und Gewaltanwendung sich mit der Umwälzung der Geschlechterrollen auch bei den Frauen zu manifestieren beginnt.
Warum sollten Frauen ihre Aggressionen besser kontrollieren können als Männer? Bei den Männern nehmen wir schon lange an, dass Aggressionen ganz verschiedene Ausprägungen haben können. Derselbe Impuls, der die eine Person zum Mörder macht, verhilft der anderen zu einem Killerinstinkt an der Wall Street. Dieselbe Wut, die auf der Straße zu einer Schlägerei führen kann, kann auch als Antrieb für ein riskantes Geschäft genutzt werden. Oft benutzen wir dafür sogar die gleiche Sprache. Brett Steenbarger, der Menschen berät, damit sie an der Wall Street Erfolg haben, sagt den Händlern, sie sollten sich wie Boxer verhalten. Wenn du siehst, dass dein Gegner verletzt ist, »versuch den Niederschlag«. Manchmal können die destruktiven und die produktiven Formen des Antriebs in ein und demselben Mann vorliegen. Am Ende von Bret Easton Ellis’ Roman American Psycho gehen Patrick Batemans Antriebe in mehrere Richtungen zugleich. Er sitzt in einem modischen New Yorker Restaurant und spricht mit seinen Kollegen von der Wall Street darüber, »wie man Macht effektiv einsetzt«. Gleichzeitig hält er in dem Lokal Ausschau nach dem Gast, den er als Nächsten ermorden kann.
Bateman ist wahnsinnig, aber in völliger Übereinstimmung mit dem Ursprungsmythos der männlichen Dominanz, in dem die Rolle beider Geschlechter etwa 200 000 Jahre lang relativ klar definiert war. Anthropologisch erklärt sich dieses Phänomen so, dass der Mann denselben Instinkt hat wie der Elch, der in der Brunftzeit mit dem Geweih kämpft, oder der Käfer, der seinen Kiefer um den Rivalen schließt und diesen zerquetscht.
Der »Fortpflanzungserfolg« der tapfersten und geschicktesten Kämpfer hängt davon ab, »ob sie sich in der sozialen Hierarchie behaupten« und so auch die meisten Frauen und Nachkommen bekommen, wie es Simon Baron-Cohen, ein Psychologieprofessor aus dem britischen Cambridge, formulierte. Um seinen Samen zu verbreiten, musste der Mann mutig sein, Risiken eingehen und gern konkurrieren. Gelegentlich bildeten Männer auch Armeen, um den Feind zu besiegen und dessen Frauen zu gewinnen. Die Frau dagegen musste wählerisch und vorsichtig sein. Sie musste in ihre Nachkommenschaft investieren und sich deshalb schützen und Risiken vermeiden.
Im Lauf der Jahre hat die Evolutionsbiologie das Bild vervollständigt, das sich aus diesen frühen Mustern ergibt. Solche evolutionären Relikte »haben wichtige Auswirkungen am Arbeitsplatz«, argumentiert der Juraprofessor Kingsley Browne in seinem Buch Divided Labours: An Evolutionary View of Women at Work . Das Streben nach Macht und Status sei tief in der Psyche des Mannes verankert; Frauen seien dagegen auf Zurückhaltung programmiert.
Im Extremfall bewahrheiten sich diese Annahmen, wenigstens heute noch. Was die blanke körperliche Aggression betrifft, übertreffen die Männer die Frauen bei weitem; laut Statistik werden weltweit 80 Prozent der Morde von Männern
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