Das Ende der Männer: und der Aufstieg der Frauen (German Edition)
begangen. Und im Gegensatz zu Männern bringen Frauen fast nie Fremde um. Fragebögen und Studien zur Untersuchung feindseliger Handlungen beweisen, dass Männer bis heute sehr viel wahrscheinlicher schlagen oder schreien oder anderen (angebliche) Elektroschocks verpassen. Die Neurowissenschaftlerin Lise Eliot erklärt die primitive Logik dieses Phänomens in ihrem Buch Wie verschieden sind sie? Die Gehirnentwicklung bei Mädchen und Jungen wie folgt: »Man kann einen grimmigen Widersacher schwerlich bezwingen, indem man sich besorgt fragt, wie ihm wohl zumute ist.«
In Gewalt: Eine neue Geschichte der Menschheit führt der Linguist und Kognitionswissenschaftler Steven Pinker den historischen Rückgang der Gewalt teilweise auf die Verweiblichung der Kultur zurück. Während Männer sehr viel wahrscheinlicher gewalttätige Spiele spielten, für kriegerische Politik stimmten oder Gewaltverbrechen begingen, gründeten Frauen eher pazifistische Organisationen. Die Triebkraft der Veränderung sei eine gewaltige Verweiblichung der Kultur von der Art, wie sie Konservative gerne beklagten, ein Austausch des alten männlichen Verhaltenskodex kriegerischen Ruhms gegen eine weiblichere Betonung von Gerechtigkeit und Empathie. »Wir sind heute alle Feministen«, schreibt Pinker. Und er zitiert die Erklärung von Tsutomu Yamaguchi, einem Überlebenden von Hiroshima, dass nur noch stillende Mütter Staaten regieren sollten.
Wie immer sind Pinkers allgemeine umfassende Behauptungen schwer zu widerlegen, es sei denn, man denkt an konkrete Gegenbeispiele. (War Margaret Thatcher Pazifistin? War Condoleezza Rice gegen den Irakkrieg? Gab es keine Kriege mehr, nachdem das Frauenwahlrecht eingeführt wurde? Ist eine aggressivere Kommunikation denkbar, als wenn eine anonyme Mutter im Netz über Frauen herzieht, die nicht stillen wollen?) Aus weiter Ferne betrachtet wirken Pinkers Behauptungen meistens richtig: Ja, Männer sind im Allgemeinen gewalttätiger; und ja, die zurückgehende Verherrlichung militärischen Ruhms hängt vermutlich mit dem weniger kriegerischen Verhalten in den westlichen Ländern zusammen. Doch aus dieser distanzierten Perspektive sind all die Veränderungen nicht zu erkennen, die sich abseits der dramatischen Verhaltensweisen ändern, auf die Pinker sich konzentriert – Veränderungen, die die Vorstellung erschüttern könnten, dass die Männer »von Natur aus« das dominantere Geschlecht wären.
Es gibt einfachere und genauso überzeugende historische Erklärungen für die männliche Aggressivität, wie der Philosoph Jesse Prinz kürzlich in »Why Are Men So Violent?«, einem einflussreichen Artikel in der Zeitschrift Psychology Today ,dargelegt hat: In Jäger-Sammler-Gesellschaften waren die Männer davon abhängig, dass die Frauen Nahrung sammelten. Als jedoch die Landwirtschaft eingeführt wurde, machten die Männer, da sie mehr Körperkraft besaßen, die meiste Arbeit selbst. Sie wurden die einzigen Ernährer der Familie, und die Frauen wurden wirtschaftlich von ihnen abhängig. Dies erlaubte den Männern letztlich, die sozialen und politischen Institutionen zu übernehmen und die Frauen unter Kontrolle zu halten. Als die Männer erst einmal über die Macht und die Ressourcen verfügten, hatten sie allen Grund, hart dafür zu kämpfen, dass dem auch so blieb.
Welche Version richtig ist, werden wir offensichtlich nie sicher wissen. Wir wissen jedoch, dass der Vergleich zwischen Männern und Elchen in letzter Zeit nicht mehr ganz so überzeugend wirkt. Analysiert man subtilere Formen der Aggression, als Speere zu werfen und Menschen zu töten, sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht mehr so deutlich. Mehr und mehr Frauen scheinen »männliche« Verhaltensweisen zu kopieren, und außerdem erfinden Frauen ganz neue Arten der Gewaltanwendung. Oder wie die erfolgreiche Kriminalschriftstellerin Patricia Cornwell kürzlich in der New York Times zitiert wurde: »Je mehr Macht die Frauen gewinnen, umso mehr wird ihr Verhalten dem anderer mächtiger Menschen gleichen.«
Zu Beginn der 2000er Jahre stellten Kriminologen in den USA einen seltsamen Trend fest. Die große Kriminalitätswelle ab Mitte der 1990er Jahre ging endlich zu Ende. Die Raten der Gewaltverbrechen sanken, das heißt: die der von Männern begangenen Gewaltverbrechen. Tatsächlich wurden weniger Männer und insbesondere weniger männliche Jugendliche verhaftet als je zuvor. Bei den Verhaftungen von Frauen jedoch verhielt es sich genau
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