Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
Fingerabdrücke von Visaantragstellern gespeichert werden sollen (auf nationaler Ebene bestehen bereits derartige Verfahren). Zudem sollen in das Ausländerzentralregister die digitalisierten Gesichtsbilder aller hier lebenden Ausländer aufgenommen werden (vgl. 3.10).
Der Biometriepass
Die wohl umfassendste Anwendung der Biometrie wird jedoch die Umgestaltung verschiedener Ausweisdokumente sein. Der Europäische Rat hat Ende 2004 die Aufnahme des Gesichtsbildes sowie von Fingerabdrücken in elektronischer Form in den Pässen und Reisedokumenten der EU-Bürger vorgeschrieben (vgl. auch 3.5). Seit November 2005 enthalten daher die neu ausgestellten deutschen Reisepässe einen RFID-Chip, auf dem zunächst das digitalisierte Gesichtsbild gespeichert wird.
Im Prinzip – so könnte man sagen – identifiziert ein biometrisches Verfahren eine Person in ähnlicher Weise, wie dies im direkten menschlichen Kontakt geschieht, allerdings auf einer objektiveren Grundlage. Warum dann die Aufregung? Die Kritik richtet sich in erster Linie dagegen, dass die biometrischen Merkmale automatisiert ausgewertet werden können und damit zusätzliche Überwachungsmöglichkeiten verbunden sind, etwa indem digitalisierte Gesichtsbilder bei der Videoüberwachung zur Personenidentifizierung verwendet werden, wie dies 2006 etwa beim Projekt »Fotofahndung« des Bundeskriminalamts (vgl. 2.5) getestet wurde. Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein.
Die biometrischen Verfahren unterscheiden sich auch darin voneinander, ob die Referenzdaten als errechnetes Auswertungsmuster oder in Form von Rohdaten als digitales Foto gespeichert werden. So werden etwa die in den ePässen gespeicherten digitalen Gesichtsbilder und Fingerabdrücke als Images gespeichert. Dies ist datenschutzrechtlich deshalb bedeutsam, weil die Rohdaten Überschussinformationen enthalten, die zur Identifikation und zur Verifikation nicht benötigt werden. So lassen sich aus dem Gesichtsbild Rückschlüsse auf die Hautfarbe, die ethnische Zuordnung, das Alter und auch Hinweise auf den Lebenswandel der betreffenden Person ziehen. Fingerabdrücke lassen zum Beispiel erkennen, ob die betreffende Person regelmäßig schwere körperliche Arbeit verrichtet, die zu verstärkter Abnutzung der Fingerkuppen führt, und es gibt ernst zu nehmende Erkenntnisse darüber, dass sich aus ihnen auch bestimmte genetische Konstellationen ablesen lassen.
Eine besondere Gefährdung des Datenschutzes wird deshalb darin gesehen, dass biometrische Angaben nicht nur zur Personenerkennung eingesetzt werden können, sondern auch zusätzliche, höchstpersönliche Informationen enthalten. Um im Ergebnis zu einer einfachen Ja-Nein-Entscheidung zu kommen (»Handelt es sich um Person X?«), werden bei der Biometrie Daten in vergleichsweise großen Mengen erhoben, die neben dem Rückschluss auf die Identität eine Vielzahl anderer Auswertungsmöglichkeiten eröffnen. Zu Recht gibt der Grazer Rechtsphilosoph Peter Strasser zu bedenken:
»Zu befürchten steht, dass unter Umständen aus gewissen biometrischen Anzeichen, beispielsweise aus der Beschaffenheit der Iris, auf gewisse Verhaltensgewohnheiten, namentlich auf Alkohol- und Drogengenuss, geschlossen wird.« 22
Auch weitere Schlüsse lassen sich aus biometrischen Daten ziehen, etwa auf die Stimmungslage, den Gesundheitszustand und andere psychologische Faktoren, die sich aus der Stimme und der Bewegung ableiten lassen. Schließlich ermöglichen Haar- und Barttracht oder Kopfbedeckungen (Kippa oder Kopftuch) Rückschlüsse auf die Religionszugehörigkeit. Erschwerend kommt hinzu, dass einmal erfasste Merkmale durch zukünftige Erkenntnisse etwa im Bereich der Genetik in diesem Sinne problematisch werden können, etwa wenn Zusammenhänge bestimmter Eigenschaften, zum Beispiel zwischen Fingerabdrücken und genetisch bedingten Krankheiten, entdeckt werden.
Vor diesem Hintergrund ist es mehr als ärgerlich, dass man sich ohne gründliche Diskussion dazu entschieden hat, die biometrischen Rohdaten in den ePässen zu speichern. Auf diese Weise werden Behörden in aller Welt digitalisierte Gesichtsbilder der Reisenden in bester Qualität und in Zukunft auch noch die Fingerabdruckdaten geliefert, ohne dass irgendeine Steuerungsmöglichkeit hinsichtlich ihrer weiteren Verarbeitung und Nutzung besteht. So ist es naheliegend, dass die ausgelesenen biometrischen Daten in Datenbanken staatlicher Stellen der besuchten Länder landen.
Auch bei der Biometrie ist das
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