Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
aufgegriffen worden wäre. So berichtete die Tageszeitung taz wenige Tage später darüber, in Hamburgs Justizbehörde gebe es »Sympathie für den Vorschlag, [der] nicht vorschnell vom Tisch gewischt, sondern ergebnisoffen diskutiert werden« müsse.
Die Politik hat aus der Brisanz der Entwicklungen in der Humangenetik nicht die erforderlichen Konsequenzen gezogen. Auch wenn sich alle Parteien öffentlich zur Notwendigkeit einer Regelung über die Verwendung genetischer Daten bekannt haben, ist ein entsprechendes Gesetz immer noch nicht auf den Weg gebracht worden. Angesichts der Problematik genetischer Daten hätte es schwerwiegende Konsequenzen, diese Frage weiterhin allein den Marktkräften zu überlassen. Es bleibt deshalb zu hoffen, dass die Bundesregierung und der Bundestag durch ein Gentestgesetz endlich angemessene und klare rechtliche Vorgaben für genetische Untersuchungen setzen.
Genetischer Vaterschaftstest: Aus für »Kuckuckskinder«?
Dass Väter von sogenannten »Kuckuckskindern« (Kinder, bei denen trotz rechtlich festgestellter Vaterschaft das Kind biologisch von einem anderen Vater abstammt) ein Interesse an der Klärung ihrer Vaterschaft und damit an der Kontrolle ihrer (ehemaligen) Partnerin haben, ist tagtägliche Erfahrung von Familiengerichten. Viele Genlabors haben erkannt, dass sich hier schnell gutes Geld verdienen lässt. Viele Vaterschaftstests werden heimlich, das heißt ohne Wissen der Kindesmutter und des Kindes, durchgeführt. Eine kurze Suche im Internet ergibt eine Vielzahl von Anbietern, von denen die günstigsten ihre Dienste bereits zu einem Preis ab 130 € je Test offerieren: »Schnell, sicher und diskret«. Die versprochene Diskretion ist von besonderer Bedeutung, denn derartige Tests finden in einer rechtlichen Grauzone statt.
2005 entschied der Bundesgerichtshof, dass heimlich durchgeführte Vaterschaftstests nicht in Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft verwendet werden dürfen. Nur wenn für Vaterschaftstests ein angemessener Rechtsrahmen geschaffen werde, könnten alle Beteiligten sicher sein, dass ihre berechtigten Interessen gewahrt werden. Diese Entscheidung wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Dieses stellte Anfang 2007 25 fest, dass es dem Grundgesetz entspricht,
»wenn die Gerichte die Verwertung heimlich eingeholter genetischer Abstammungsgutachten wegen Verletzung des von Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechts des betroffenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung als Beweismittel ablehnen«.
Es hat jedoch den Gesetzgeber beauftragt,
»zur Verwirklichung des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) ein geeignetes Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft bereitzustellen«.
Dieses Urteil stärkt also einerseits das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Kindes und der Kindesmutter, wird jedoch andererseits auch den Interessen der (vermeintlichen) Väter gerecht. Jede andere Entscheidung hätte gravierende Nachteile gehabt: Hätte das Gericht die Verwertung heimlicher genetischer Vaterschaftstests zugelassen, wären heimliche Gentests in anderen Lebensbereichen (zum Beispiel Versicherungen und Arbeitsverhältnisse), in denen sich widerstrebende, für sich genommen aber legitime Interessen gegenüberstehen, ebenfalls kaum noch zu verhindern gewesen. Ohne den Auftrag an den Gesetzgeber, die Hürden für genetische Vaterschaftsfeststellungen zu senken, wäre das Recht der Väter, gesicherte Kenntnis darüber zu erhalten, ob ihr Kind genetisch tatsächlich von ihnen abstammt, weiterhin auf unzumutbare Weise beeinträchtigt worden. Eine wahrhaft salomonische Entscheidung!
Eindeutig identifiziert: DNA-Identitätsfeststellung
Die »DNA-Identitätsfeststellung« soll die Frage beantworten, ob – etwa an Tatorten vorgefundenes – Zellmaterial (zum Beispiel Haare, Hautpartikel, Speichelreste) zu einer Person passt. In den letzten Jahren konnten viele schwere Straftaten durch diese Methode aufgeklärt werden. Besonders spektakulär war der Fall des Münchner Modeschöpfers Rudolph Mooshammer, dessen Mörder im Jahr 2005 aufgrund von DNA-Spuren an einem als Tatwaffe verwendeten Kabel bereits nach wenigen Tagen überführt werden konnte.
Diesem Verfahren kommt zunehmende Bedeutung zu, weil die Analysemethoden immer leistungsfähiger werden. Selbst Zellmaterial von viele Jahre zurückliegenden Verbrechen lassen sich
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