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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
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Dispositionen.
    Ausnahmen von dieser generellen Unzulässigkeit der Verwendung prädiktiver genetischer Informationen bei Einstellungen erscheinen dem Nationalen Ethikrat in seiner Stellungnahme von 2005 lediglich bei Informationen zu solchen Krankheiten (oder der Anlage dazu) vertretbar,
    »die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (über fünfzig Prozent) eintreten werden und deren Auswirkung auf die Arbeitsfähigkeit erheblich ist. Zum anderen sollten in zeitlicher Hinsicht nur solche Auswirkungen berücksichtigt werden können, die innerhalb eines gesetzlich oder tarifvertraglich zu definierenden Zeitraums nach der Einstellung zu erwarten sind. Als Orientierung für einen angemessenen Zeitraum könnte die übliche Probezeit von sechs Monaten dienen.« 23
    Ob sich diese Kriterien präzise bestimmen lassen, ist zu bezweifeln. Zwar gibt es bei einigen Erbkrankheiten – etwa bei der Huntington’schen Krankheit – präzise Verfahren, genetisch festzustellen, ob eine Person erkranken und daran voraussichtlich sterben wird. Allerdings kann der Zeitpunkt ihres Ausbruchs auch bei diesen Krankheiten nicht mit der geforderten Präzision prognostiziert werden. Bei den allermeisten anderen genetisch bedingten Krankheiten lassen sich nicht einmal genaue Aussagen darüber ermitteln, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie überhaupt ausbrechen werden, vom Zeitpunkt ganz zu schweigen.
    Auch Versicherungen wollen potenzielle Kunden, die ein erhöhtes individuelles Risiko aufweisen, herausfiltern. Die Konsequenz eines erhöhten Risikos könnte etwa sein, dass der Abschluss einer Kranken- oder Lebensversicherung versagt wird. Denkbar wäre auch, dass der Versicherte eine um einen besonderen Risikozuschlag erhöhte Prämie zahlen müsste.
    Grundsätzlich ist es durchaus verständlich, dass Personen, die über ihr erhöhtes individuelles Risiko Bescheid wissen, nicht uneingeschränkt in jede Versicherung aufgenommen werden. Datenschutzrechtlich ist entscheidend, ob der Antragsteller bereits ein Gentestergebnis kennt oder ob kein Gentest durchgeführt wurde. Eine generelle Offenbarungspflicht hinsichtlich bereits vorliegender Ergebnisse durchgeführter Gentests würde unverhältnismäßig massiv in das informationelle Selbstbestimmungsrecht eingreifen. Andererseits könnte gerade bei sehr hohen Lebensversicherungssummen die Frage berechtigt sein, ob der Antragsteller davon Kenntnis hat, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit bald an einer tödlichen Krankheit sterben wird. Hier muss es einen fairen Interessenausgleich geben. So wäre es vertretbar, dass ein Antragsteller der Versicherung eine negative, durch einen Gentest ermittelte Prognose bei einer ungewöhnlich hohen Versicherungssumme mitzuteilen hat.
    Inakzeptabel wäre es hingegen, wenn Versicherungsunternehmen den Vertragsabschluss von der Durchführung eines Gentests abhängig machen würden. Interessenten für den Abschluss einer Versicherung würden in dieser Situation vor die Wahl gestellt, entweder einen Gentest durchführen zu lassen und auf diese Weise ihr »Recht auf Nichtwissen« einzubüßen oder auf die Versicherung zu verzichten. Zudem wäre zu befürchten, dass die Nutzung von genetischen Testverfahren im Versicherungswesen selbst dann zu einer »genetischen Diskriminierung« von Bewerbern führen könnte, wenn nur geringfügige genetische Belastungen vorliegen.
    Auch Probenbanken, in denen biologische Stoffe aufbewahrt werden, werfen Datenschutzfragen auf. So werden von Neugeborenen in einigen Bundesländern bereits seit Jahrzehnten Restblutproben verwahrt, die zur Durchführung von DNA-Tests verwendet werden könnten, auch wenn zum Zeitpunkt der Probenentnahme niemand etwas von dieser Möglichkeit ahnte. Durch ihre genetische Auswertung könnte eine flächendeckende Gendatenbank entstehen. Eine abwegige Vorstellung? Nicht abwegig genug, dass nicht jemand auf eine entsprechende Idee kommen könnte. So hat der Leiter der Hamburger Rechtsmedizin, Professor Dr. Klaus Püschel, auf einem Hamburger Rechtsmedizinkongress 2005 gefordert, den genetischen Code aller Menschen bereits bei der Geburt festzustellen und abzuspeichern. Gentests sollten laut Püschel nicht nur zur Aufklärung von schweren Straftaten wie Tötungsdelikten oder Entführungen erlaubt sein, sondern zum Beispiel bereits bei einem Einbruch. 24 Über eine derartige Position eines Wissenschaftlers müsste man eigentlich nur den Kopf schütteln, wenn der Vorstoß nicht auch von einigen Politikern positiv

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