Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft
Trade Center und das Pentagon am 11. September 2001 erklärte US-Präsident George Bush den »Krieg gegen den Terror«. In einer viel beachteten Rede Mitte September 2001 vor beiden Häusern des Kongresses kündigte er an:
»Wir werden jede uns zur Verfügung stehende Ressource nutzen – jedes Werkzeug der Geheimdienste, jedes Instrument der Strafverfolgung, jeden finanziellen Einfluss und jede erforderliche Kriegswaffe, um das globale Terrornetzwerk zu sprengen und zu besiegen.« 36
Recht bald wurde klar, dass damit nicht nur ein militärisches Vorgehen gegen Afghanistan und andere Mitglieder der »Achse des Bösen« gemeint war, sondern auch ein erbarmungsloser Kampf gegen Gegner, die man bereits im eigenen Land vermutete – ein Kampf, der auch tiefe Einschnitte in Bürgerrechte in Kauf nahm.
Bereits einen Monat nach den Terroranschlägen verabschiedeten mit überwältigenden Mehrheiten zunächst der Senat (96 zu 1 Stimmen) und dann das Repräsentantenhaus (337 zu 79) den »Patriot Act«, der Geheimdiensten und Polizeibehörden sehr weit gehende neue Befugnisse einräumt. Die beschlossenen Maßnahmen umfassen Vollmachten zum Abhören von Telefonen, zum Mitlesen von E-Mails und zum geheimen Zugriff auf alle möglichen privaten Datenbestände, von durch Telefongesellschaften gespeicherten Telekommunikationsdaten bis hin zu Dateien über das Leseverhalten in öffentlichen Bibliotheken. Niemals zuvor hatte es in den USA derart drastische Einschränkungen von Bürgerrechten ohne ausführliche Diskussion gegeben. Zahlreiche Senatoren und Abgeordnete beklagten noch kurz vor der Abstimmung, sie hätten nicht einmal die Gelegenheit gehabt, die ihnen nur wenige Tage zuvor zugeleiteten, mehrere hundert Seiten umfassenden Gesetzesentwürfe vollständig zu lesen. Dass die Gesetze gleichwohl mit großer Mehrheit angenommen wurden, ist ein Indiz für den öffentlichen Druck, dem nach dem 11. September nicht nur die Parlamentarier ausgesetzt waren.
Die Umsetzung des Patriot Act wurde und wird von der US-Administration weitgehend als Geheimangelegenheit behandelt. Immer wieder sickern allerdings Einzelheiten an die Öffentlichkeit, die nicht nur bei eingefleischten Bürgerrechtlern größte Besorgnis hervorrufen. So wurde im Frühjahr 2006 bekannt, dass Sicherheitsbehörden ohne richterliche Anordnung von Telefonunternehmen viele Millionen Verkehrsdaten der Telekommunikation angefordert und erhalten hatten, die ganz überwiegend US-Bürger betrafen. Nach Presseberichten war zudem beinahe jedes Gespräch in das oder aus dem Ausland Gegenstand des NSA-Überwachungsprogramms. Bei der NSA (National Security Agency) handelt es sich um einen US-Geheimdienst, der sich mit der weltweiten technologischen Überwachung beschäftigt. Die NSA habe – so die Presseberichte – die Abhörmaßnahmen vor ihrem Bekanntwerden bereits vier Jahre lang durchgeführt, um soziale Netzwerke zu identifizieren, eigenen Angaben zufolge aber nicht die Inhalte der Kommunikation überprüft. Die US-Regierung hat inzwischen eingeräumt, es sei ein erklärtes Ziel der Überwachung durch die NSA gewesen, die erfassten Telefonanrufe in einer Datenbank zu registrieren. Dieses Eingeständnis wiederum wirft die Frage nach dem Wahrheitsgehalt der Behauptung auf, man habe lediglich Personen überwachen wollen, die des Terrorismus verdächtig seien. Eine weitere gravierende Überwachungsmaßnahme, die nur durch Indiskretionen von Insidern aufgedeckt wurde, ist der Zugriff auf Daten über den weltweiten, durch SWIFT abgewickelten Zahlungsverkehr (siehe unten).
Ähnlich wie in den USA fiel die Reaktion auf den 11. September 2001 in vielen anderen Ländern aus. Überall wurde nach den Anschlägen über Maßnahmen zur effektiveren Terrorismusbekämpfung diskutiert. Und überall argumentierten die Regierungen gleich: Terror lässt sich nur bekämpfen, wenn man den Sicherheitsbehörden neue Befugnisse in die Hand gibt, auch wenn damit Eingriffe in Freiheitsrechte verbunden sind. Umfragen belegen, dass nach den dramatischen Ereignissen jeweils große Mehrheiten der Bevölkerung bereit waren, Einschränkungen der Freiheit in Kauf zunehmen, wenn damit ein höheres Maß an Sicherheit erreicht werden könnte. Trotz zaghafter Kritik von Bürgerrechtsgruppen und Datenschützern wurden überall schärfere Gesetze beschlossen.
Auch in Deutschland setzte nach den Anschlägen eine erregte Diskussion über zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen ein. Bereits unmittelbar nach den
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