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Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft

Titel: Das Ende der Privatsphäre: Der Weg in die Überwachungsgesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schaar
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tief in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen und den absolut geschützten Kernbereich der Privatsphäre betreffen können. Eine solche Maßnahme sei nur auf Basis einer besonderen gesetzlichen Regelung zulässig. Da eine derartige Befugnis nicht bestand, lehnte der Bundesgerichtshof die Durchführung der von der Bundesanwaltschaft beantragten Maßnahme ab. Wer angesichts der klaren Entscheidung angenommen hatte, die Angelegenheit sei damit erledigt, sah sich getäuscht. Vielmehr forderten sowohl Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble als auch Vertreter von Polizeigewerkschaften bereits am Tage der Veröffentlichung der BGH-Entscheidung Gesetzesänderungen, um die unzulässige Ermittlungsmaßnahme zu legalisieren.
    Spätestens nach dieser Gerichtsentscheidung hätte eigentlich klar sein müssen, dass Online-Durchsuchungen nicht nur für die Polizei, sondern auch für Nachrichtendienste tabu sind, weil auch diese keine Rechtsgrundlage hierfür haben. Umso überraschender war es, dass vonseiten der Bundesregierung öffentlich eingeräumt wurde, die Nachrichtendienste hätten bereits solche Online-Durchsuchungen durchgeführt. Erst nach massiver Kritik erklärte sie im Mai 2007, dass es keine weiteren Online-Durchsuchungen geben solle, bis eine entsprechende Rechtsgrundlage, eventuell sogar durch Verfassungsänderung, geschaffen sei.
    Die Bedenken gegen die Online-Durchsuchung gehen weit über die »Datenschutzszene« hinaus. Auch Industrieverbände und die Bundesjustizministerin äußerten erhebliche Zweifel an dem Vorhaben, »staatliches Hacking« zu legalisieren. Ausgerechnet auf einem europäischen Polizeikongress wies Brigitte Zypries darauf hin, dass die heimliche Überwachung ein schwerwiegender Eingriff in die Grundrechte und eine neue Qualität staatlicher Überwachung sein würde. Mit deutlichen Worten sprach sie sich gegen einen Schnellschuss bei heimlichen Online-Durchsuchungen aus. Völlig zu Recht stellte sie fest:
    »Wer die Verfassung ändern und das ›staatliche Hacken‹ erlauben will, der trägt die Darlegungslast. Der muss sehr überzeugend nachweisen, dass dieser tiefe Eingriff in die bürgerliche Freiheit zu enormen Vorteilen bei der Bekämpfung schwerster Verbrechen führt. Ich bin sehr skeptisch, ob dies gelingen kann. Natürlich sind heimliche Maßnahmen für die Ermittler bequemer und einfacher. Aber das ist nicht der Maßstab für Grundrechtseingriffe.« 35
     
    Technisch dürfte eine »Online-Durchsuchung« ähnlich wie eine Hacking-Attacke ablaufen. Mittels Trojanern werden Programme auf den Computer geschmuggelt, die diesen nach verdächtigen Inhalten durchsuchen und die Daten dann über das Internet an die jeweilige Sicherheitsbehörde senden. Kritiker sprechen deshalb ironisch von »Bundestrojanern« oder vom »Großen Bruder im Privatcomputer«. Denkbar wäre es, dass dabei mittels infizierter E-Mails oder durch Ausnutzung von Sicherheitslücken der Software auf die Computer zugegriffen wird. Auch könnten Spähprogramme heimlich in Downloads aus dem Internet eingeschleust werden.
    Es stellt sich die Frage, wie sich die Nutzer einerseits wirksam gegen Trojaner schützen sollen, die von ausländischen Geheimdiensten oder von Kriminellen stammen, wenn zugleich der Zugriff für deutsche Behörden ermöglicht werden soll. Zu befürchten ist auch, dass sich kriminelle und terroristische Organisationen wirksam gegen Online-Durchsuchungen schützen könnten, während der einfache Nutzer dazu verdammt wäre, mit den zusätzlichen Sicherheitsrisiken zu leben. Unbeantwortet ist bis heute auch die Frage, wie Betrüger und Hacker daran gehindert werden sollen, die staatlichen Spähprogramme zu modifizieren und für eigene Zwecke zu verwenden (etwa indem sie die Zieladresse des Rechners ändern, an die der Festplatteninhalt versandt werden soll).
    Angesichts dieser massiven rechtlichen und praktischen Bedenken spricht vieles dafür, das Projekt Online-Durchsuchung ad acta zu legen. Angesichts der Erfahrungen mit ähnlichen Forderungen ist dies allerdings wenig wahrscheinlich. Die kritische Öffentlichkeit muss also wachsam bleiben, damit nicht wieder verfassungsrechtlich fragwürdige Befugnisse in Gesetze gegossen werden und es erneut dem Verfassungsgericht vorbehalten bleibt, durch nachträgliche Korrektur des Gesetzgebers die Bürgerrechte zu gewährleisten.

3.5 Datenschutz – Kollateralschaden im Krieg gegen den Terror?
     
    Wenige Tage nach den Anschlägen auf das World

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