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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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während die Kinder auf der Lichtung rauf und runter hopsen. Ich kann ihr Lachen aus hundert Metern Entfernung sehen. Nur dann sehe ich sie lachen, sonst nie.
    *
    Früher konnte Jasper ins Cockpit springen, jetzt schafft er das nicht mehr. Nach vier Jahren hatten wir einen Streit. Ich hatte den Copilotensitz ausgebaut, um Platz und Gewicht zu sparen, und dann die Mulde mit einem Schlafsack gepolstert. Das Muster auf dem Stoff zeigt einen Jäger, der auf einen Fasan schießt, wieder und wieder, während sein Vorstehhund auf drei Beinen daneben steht. Ich weiß nicht, warum mir die Idee nicht früher kam. Der Hund sieht nicht aus wie Jasper, aber trotzdem. Ich nehme Jasper auf den Arm und setze ihn hinein. Er liegt auf dem Muster mit dem Jäger und seinem Hund.
    Du und ich, in einem anderen Leben, sage ich zu ihm.
    Er fliegt gern. Ich würde ihn sowieso nie mit Bangley allein lassen.
    Nachdem ich den Sitz ausgebaut hatte, war Jasper traurig. Er saß zu tief, um aus dem Fenster zu gucken. Er weiß, dass er sich vom Höhenruder fernhalten muss. Einmal rutschte er dagegen und hätte uns fast umgebracht. Danach baute ich eine Art Laufstall für ihn, aber er beschnüffelte ihn und sprang aus dem Flugzeug, im Ernst. Es war unter seiner Würde, in einem Laufstall zu sitzen. Früher habe ich mir Sorgen gemacht wegen der Motorengeräusche und dem Lärm der Propeller. Ich trage die Kopfhörer, obwohl es keinen Funk mehr gibt, ich trage sie, um den Krach zu dämpfen. Aber wegen Jasper mache ich mir Sorgen, einmal habe ich sogar versucht, ihm einen Lärmschutz in Helmform zu basteln, aber der hielt nicht. Vermutlich ist Jasper deswegen taub.
    Wenn ich Ölkartons geladen hatte, legte ich den Schlafsack oben auf die Kisten, so dass Jasper aus dem Fenster schauen konnte.
    Siehst du?, sagte ich. So ist es wenigstens für die Hälfte der Zeit schön. Wer kann das noch über sein Leben sagen?
    Er fand es trotzdem öde, das spürte ich genau. Er war nur noch halb so aufgeregt. Inzwischen schraube ich, wenn ich ohne Ladung fliege, den Sitz wieder an. Es dauert nur ein paar Minuten. Ist ja nicht so, als hätten wir keine Zeit. Beim ersten Mal beäugte er mich vom Copilotensitz aus, als wollte er fragen: Was war daran jetzt so schwer? Und dann starrte er immer geradeaus, mit gerunzelter Stirn, so wie ein echter Copilot. Seine Stimmung hellte sich auf, so wie der Himmel.
    Er wird alt. Ich zähle die Jahre nicht mit. Ich multipliziere sie nicht mit sieben.
    Früher hat man Hunde für alles Mögliche gezüchtet, es gab sogar Hunde, die nach Fischen tauchten. Warum hat man keine Rasse erfunden, die länger lebt, so lange wie ein Mensch?
    *
    Das Seltsame: Mein GPS funktioniert noch. Die Satelliten, die das Militär oder wer auch immer ins All geschossen hat, kreisen und kreisen und funken uns unseren Standort zu, unbeirrt senden sie ihre Signale aus, bestimmen meine Position, und das kleine Navi am Steuerknüppel fängt immer noch besorgt zu flackern an, sobald ich den Berghängen zu nah komme.
    Ich komme den Berghängen immer zu nah. Ein weiterer Nebeneffekt des Endes aller Dinge: Ich habe keine Angst vor dem Motorenausfall mehr.
    Der Garmin hat einen Knopf für Nächstliegendes . Da hat mal einer mitgedacht. Man erfährt blitzschnell, wie weit der nächste Flughafen entfernt ist. Er taucht an der Spitze einer Liste von Flughäfen auf, samt Kennung, Entfernung, Peilung, Towerfrequenz. Als mein Leben noch voller Sorgen war, betrachtete ich den » Nächstliegende «-Knopf als meinen besten Freund. Wenn das Wetter umschlug, ich in Turbulenzen geriet oder der Tank sich leerte, reichte ein Knopfdruck, und schon erschien die Liste. Ich brauchte sie nur noch herunterzuscrollen und einen Flughafen anzuklicken, und schon wurde die Strecke als Bogen auf der Karte angezeigt. Steuere den Pfeil zurück auf die Linie. Nichts leichter als das.
    Die Funktion ist immer noch nützlich, aber jetzt, neun Jahre später, sind viele Pisten kaputt; man muss wissen, wo genau sich dieses Achtzigzentimeterschlagloch befindet, um es zu meiden. Überraschend, wie schnell es geht. Wie schnell die Landebahn wieder zur Steppe wird. Früher gab es diese Fernsehserie: Das Leben nach dem Menschen. Ich habe keine einzige Folge verpasst. Ich habe sie alle aufgenommen. Ich war fasziniert. Den Wissenschaftlern zufolge würde New York sich in tausend Jahren in ein wildes Flussdelta zurückverwandeln. Marschland. Ein Fluss. Bäume. Berge. Es gefiel mir, ich wusste selbst nicht, warum.

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