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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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Kampfpilotenanzug. Der mit der Frau mit Turmfrisur. Er summt, tappt mit den Fingern zu »Rock Around the Clock« gegen den Steuerknüppel seiner Cessna. Im Jahr 1955 . All das steht uns noch bevor: die irre Musik, Hula Hoop, Surfergirls, Elvis – aus heutiger Sicht eine verrückte Kompensation. Aber wofür? Für die große Angst. Die überall lauerte. Dafür, dass man zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit über das Ende der Welt nachdenken musste. Dass ein grobes Missverständnis ausgereicht hätte, um die roten Telefone klingeln zu lassen, ein zittriger Finger drückt auf den roten Knopf, und dann wäre alles vorbei. Alles. Ganz schnell. Unter auseinanderquellenden Rauchpilzen aus Staub und Feuer sterben wir die entsetzlichsten Tode. Was das der Psyche angetan haben musste. Schwingungen, die tiefer eindringen als jeder Ton zuvor. Wie ein Wind, der stark genug ist, zum ersten Mal die schwersten Glocken zum Klingen zu bringen, Urzeitglocken aus verrosteter Bronze, die auf Bergpässen hängen. Hör mal: tiefe, entsetzliche, dröhnende Klänge. Sie dringen bis in unsere Eingeweide durch, schieben sich zwischen die Neuronen, bringen uns die Botschaft vom absoluten Tod. Was hättest du getan? Die Hüften geschwungen und den Rock’n’Roll erfunden.
    Die Männer im Cessna-Testcenter tragen Zahlen und Distanzen zusammen. Rechnen gegen den kleinsten denkbaren Unfall an, während die tiefsitzende Angst vor dem Großen Knall ihre Träume beherrscht. War es so? Ich weiß es nicht. Ich übertreibe. Dann wiederum ist es wohl kaum mehr möglich zu übertreiben, sieht man sich an, was passiert ist. Es gibt keine Übertreibungen mehr, nur noch das krasse um sich greifende Aussterben, das hätte auch keiner geglaubt.
    Die Testpiloten starteten unter perfekten Rahmenbedingungen und auf glattem Asphalt. Weicher Boden zog noch einmal ein ganzes Prozent von der Propellerleistung ab. Der unebene Grund dieser Wildwiese war noch mal was ganz anderes. Die Fahrspuren ließen sich flicken, die Löcher auffüllen, aber trotzdem.
    Ich entrollte den Schlauch und pumpte zwölf Gallonen zurück in die Kanister. Wir würden sie nicht brauchen, um nach Junction zu kommen, und so könnten wir dreiunddreißig Kilo Gewicht einsparen. Dann dachte ich: Mach es nicht zu knapp, und ich kletterte über die Tragstreben rauf und kippte geschätzte zwei Gallonen wieder zurück. Einen Kanister ließ ich gefüllt im Salbei stehen, den zweiten kippte ich aus und verstaute ihn geleert in der Kabine. Dann ging ich angeln. Ich nahm meine Angel im Futteral aus der Halterung hinter meinem Sitz, dazu die leichte Nylontasche mit der Fliegenbox und den Vorfachspitzen, und lief zurück zum Fluss.
    *
    Meine Berechnungen zeigten, dass wir nur eine Chance hatten, überhaupt zu starten und über die Baumwipfel zu kommen, wenn der alte Mann zurückblieb.
    Ich konnte mir vorstellen, wie freudig sie diese Nachricht aufnehmen würden. Ich stellte mir das Gespräch vor. Ich konnte geradezu das Schmatzen hören, mit dem sein riesiges Messer aus der Plastikscheide rutscht, und mein eigenes Japsen, als die Klinge sich meinem Hals nähert. Erzähl keinen Mist, Higs! Ich habe dich gewarnt. Du sollst mir keinen Mist erzählen.
    Ich fing fünf Karpfen. Ich ließ einen Fasanenschwanz über den Grund schleifen und zog sie einen nach dem anderen aus dem Wasser. Der Wanderfalke kreiste über seiner Felswand, ließ sich runterfallen und sauste über die Baumwipfel am Flussufer weg. Ich glaube, er war neugierig. Fressen Wanderfalken Fische? Die Karpfen waren dünn, lang und mager, und mit einer plötzlichen Trauer begriff ich, dass sie am Verhungern waren. Die Veränderung der Wassertemperatur betraf auch sie, und ihre Nahrung. Ich löste sie vorsichtig vom Haken, mit der Sorgfalt, mit der ich bislang nur die Forellen behandelt hatte, und hielt sie zaghaft fest, während sie sich in meinen gekrümmten Händen im Wasser wanden, ihre Kiemen sich wieder füllten, ihre Schwanzschläge kräftiger wurden und sie mir entkamen. Ich gab auf. Ich hatte keine Lust mehr zu angeln.
    Die Forellen sind verschwunden die Elche die Tiger die Elefanten die Egel. Falls ich je einmal weinend aus einem Traum aufgewacht bin – und ich will damit nicht sagen, dass mir das schon mal passiert ist –, dann nur, weil sogar die Karpfen verschwunden sind.
    Ich stellte mir die Unterhaltung vor. Ich kann deine Tochter mitnehmen und zehn Kilo Dörrfleisch, aber dich nicht.
    Aber. Da ging mir ein Licht auf. Hig,

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