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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heller
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Tabak aufbewahrte.
    Wir brauchen vierzehn, weil wir eine Zwischenlandung einlegen müssen. Du steigst draußen auf dem Highway zu. Kein Problem. Direkt an der Abzweigung zur Brücke gibt es ein glattes, gerades Stück. Mehr Startbahn brauchen wir nicht. Kein Problem.
    Er ließ sich nichts anmerken, seine Züge wurden nicht weicher. Aber in seinem starren, in seinem winterlichen Blick meinte ich eine Art leichtes Tauen zu erkennen, eine Neubewertung. Ein Umdenken.
    Du gehst einen Tag vorher los, und wir sammeln dich im Morgengrauen ein.
    Okay, sagte er, und damit war das Thema erledigt.

DRITTES BUCH

I
    E igentlich hatten wir keinen Grund zur Eile. Die großen Flüsse führten noch jede Menge Wasser mit sich, nur für den Fall, dass wir in Junction stranden sollten. Wir würden noch ein paar Wochen abwarten, uns den Bauch vollschlagen, zusehen, wie es Hochsommer wurde, und unsere Zeit vor Ort nutzen. Wir würden abwarten, bis der Wasserpegel fiel. Ich nahm mir vor, es zu genießen. Ich betrachtete es als meinen Urlaub, den ersten seit Ewigkeiten.
    Seit ich unseren Notfallplan entwickelt hatte, war die Stimmung auf unserer kleinen Farm gestiegen. Ehrlich gesagt war ich überrascht darüber, dass ihn mein Vorschlag, ihn später von der Straße aufzulesen, so überrascht hatte. Er war so clever, ein gewiefter Taktiker. In der Hinsicht ähnelte er Bangley, auch in Krisensituationen behielt er einen kühlen Kopf und war uns in Gedanken immer drei Schritte voraus.
    Später dann dämmerte mir, dass ihm die Lösung sofort eingefallen sein musste. Dafür respektierte ich ihn umso mehr, was er natürlich genau wusste.
    Für ihn war völlig offensichtlich gewesen, dass wir ohne ihn starten und ihn später an Bord nehmen würden. Aber er hatte den Mund gehalten. Wahrscheinlich aus zwei Gründen. Erstens war er ein Anhänger der Religion Nimm nur, was dir freiwillig gegeben wird . Zweitens hegte er, was den Abschied von der Schlucht anging, gespaltene Gefühle. Ein Teil von ihm, der größere vielleicht, wollte bleiben, wollte den Wasserpegel fallen sehen, wollte dem Vieh ins Jenseits hinüberhelfen, wollte auf eigenem Grund und Boden sterben und auf der feuersteinhaltigen Erde verrotten.
    Eine praktische Einstellung für einen Mann in seinem Alter und mit seinen Wertvorstellungen. Ihm stand eine Reise in ein unbekanntes Land bevor – denn unser Ziel war ein unbekanntes Land, in jeder Hinsicht. Außerdem ein Leben auf der Prärie, nicht mehr in den Bergen – ein völlig neues Leben mit völlig neuen Bedrohungen und neuen Regeln, an die er sich erst mal gewöhnen müsste. Keine besonders schöne Aussicht. Aber diese Einstellung hätte sie gekränkt, sie hätte ihn niemals allein zurückgelassen, sie wäre hysterisch geworden – falls eine Frau, die durchgemacht hatte, was Cima durchgemacht hatte, überhaupt noch hysterisch werden konnte. Sie hätte es ihm niemals verziehen.
    Und so wurde das zerfledderte kleine Pilotenhandbuch mit den Tabellen von Startbahnmindestlängen und den gnadenlosen Liniendiagrammen, jenseits derer es kein Weiterleben gab, sondern nur ein überladenes Flugzeug, das sich über Baumwipfel mühte und erst sein Fahrwerk verlor und dann die Tragflächen, bevor es den finalen Purzelbaum schlug … das Pilotenhandbuch wurde zu seinem Flugticket. Ganz unerwartet. Vielleicht hatte er deswegen nicht schockierter ausgesehen. Vielleicht hatte er seine Berechnungen deswegen in ihrem Beisein angestellt.
    Im Nachhinein tat es mir fast leid, ihn auf die Möglichkeit aufmerksam gemacht zu haben. Er war erwachsen und durfte sterben, wo er wollte. Trotzdem.
    Ich schaukelte in der Hängematte. Ich rezitierte jedes Gedicht, an das ich mich halbwegs erinnern konnte. Ich ging stromauf- und stromabwärts angeln. Ich aß. Ich griff zum Spaten und besserte die Löcher in unserer kleinen Startbahn aus, riss Gestrüpp aus dem Boden. Half Cima im Garten bei der Frühernte.
    Es war ein guter Garten. Die Erde war nährstoffreich, viel nährstoffreicher als auf dem Flughafen. Sie war voller Würmer und schwarz von jahrelanger Düngung mit Mist. Die Familien versorgten mich mit Hühnerdreck, aber das reichte nicht, das war nicht vergleichbar. Im frühen Morgen, im Schatten des großen Baumes, fühlte die Erde sich kalt und feucht an, die jungen Pflanzen waren von Tau bedeckt. Dieser Geruch. Der Schatten wanderte bis an die Felswand, und ich zog mich bis auf meine Boxershorts aus, um mit nackten Beinen auf der feuchten Erde zu knien und

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