Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte
mir die Sonne auf den Rücken brennen zu lassen. Der dreckverkrustete Korb zwischen uns, wir zwischen den Ackerfurchen.
Warum bist du an die Ostküste gezogen?, fragte ich.
Ich hatte ein Stipendium für Dartmouth.
Da war mein Onkel auch. Bist du ein Einzelkind?
Sie schüttelte den Kopf.
Ein Zwillingsbruder. Er starb, als wir fünfzehn waren. Mopedunfall.
Oh Mann.
Ich hatte gute Noten. Gute Testergebnisse. Ich wollte Tierärztin werden, an der Colorado State studieren, nach Hause zurückkommen und eine große Tierarztpraxis eröffnen. Mein ganzes Leben lang hatte ich von nichts anderem geträumt. Wir hatten einen Studienberater, Mr. Sykes. Seine Vermittlungsquote war sehr hoch, aber alle nannten ihn Sucks , weil er allein darüber bestimmte, wer wo hinging. Einmal, ich saß gerade im Englischunterricht, klopfte er an die Glasscheibe in der Tür, trat ein und überreichte mir einen gefalteten Zettel. Darauf stand: Mein Büro, 12 : 45 . Die Mittagspause. Ich weiß noch, dass wir gerade Das Liebeslied des J. Alfred Prufrock durchnahmen. Kennst du das?
Ich habe das Gedicht geliebt, bis es in der Highschool drankam. Wusstest du, dass es eine versteckte Botschaft hat?
Tatsächlich?
Jupp. Sex, Kunst und Wissenschaft sind Waffen im Klassenkampf.
Hm. Seltsame Botschaft für angehende Akademiker.
Wir waren keine angehenden Akademiker. Es war uns vorherbestimmt, für StorageTek oder UPS zu arbeiten. Oder für Coors.
Der Zettel. Sykes, sagte ich.
Ach ja. Mein Herz raste. Jedes Jahr bekam ein Kind der Delta High ein Stipendium fürs Dartmouth College. Gesponsert von dem Mann, der die Hartfaserplattenfabrik gebaut hat, ein Ehemaliger. Wahrscheinlich hatte er ein schlechtes Gewissen wegen der Formaldehyddämpfe, die im Winter bei schlechtem Wetter auf die Stadt drückten. Jeden Herbst bekam ein Kind der Highschool eine Nachricht von Sykes und musste sich in der Mittagspause in seinem Büro melden. Er bestimmte über das Stipendium und wählte das Kind aus. Ich glaube nicht, dass das legal war, aber so lief es nun einmal. Sein kleines Königreich. Alle Familien aus der ganzen Stadt krochen ihm deswegen das ganze Jahr in den Arsch. Für den Rest der Stunde konnte sich niemand mehr konzentrieren, alle starrten nur mich an. In meinem Kopf überschlugen sich die Vorstellungen von einer Zukunft, für die ich noch keine Bilder hatte. Alles wild durcheinander: efeubedeckte Ziegelsteine, attraktive Oberschichtjungs in Karopullundern auf dem Weg zum Rudertraining. Weißt du, ich hatte ja keine Ahnung. Ich verbrachte meine Tage damit, vor Morgengrauen das Heu auszuteilen und nach der Schule im Querfeldeinlauf nach Hause zu rennen, um weiterzuarbeiten, hauptsächlich musste ich die Pferde füttern und medizinisch versorgen, die Ställe ausmisten und Hausarbeit erledigen.
Ich wurde knallrot, das merkte ich. Je mehr ich versuchte, mich auf das Gedicht zu konzentrieren, desto stärker fühlte ich die Blicke der anderen, und als ich den Kopf hob, sah ich sie auch. Schon konnte ich den Neid spüren. Wie einen Wind. Noch am selben Abend fragte ich mich, ob das Ganze ein Segen oder ein Fluch war. Ich ging trotzdem in Sykes Büro. Ich schaffte es nicht, in der Pause etwas zu essen, deswegen ging ich in die Mädchentoilette, setzte mich auf den Klodeckel und versuchte zu atmen. Er sagte: Cima, du hast recht gute Chancen auf das Ritter-Stipendium. Er war kahl. Sein Kopf sah aus wie ein Ei. Ich erinnere mich an die winzigen Schweißperlen auf der rosa gefleckten Kuppel, so als wäre er derjenige, der hier im Schwitzkasten hing. Er stammte aus Illinois, aus der Nähe von Chicago, das weiß ich noch. Er sagte: Du wirst deiner Bewerbung einen sehr persönlichen Aufsatz beilegen über das Leben auf der Ranch und den Tod deines Bruders Bo.
Ich war schockiert. Es war, als hätte ich den letzten Vorschlag nur halluziniert. Nun ja, es war kein Vorschlag. Wie bitte, sagte ich. Seine Hände lagen auf der Tischplatte, er hatte aus Daumen und Zeigefinger ein Dreieck geformt und schaute mit geschürzten Lippen hinein, als wäre es ein Freimaurerfenster, durch das mein Schicksal zu sehen war. Er sagte: Du wirst über das Leben auf der Ranch schreiben und über den Tod deines Bruders, der dein Seelenverwandter war.
Ich starrte ihn an. Ich hatte schon davon gehört, dass er die Bewerbungen kontrollierte. Aber auf so was hatte mich niemand vorbereitet. Es war, als hätte er seinen schweren, dicken Stiefel mitten auf meine Seele gesetzt, trampel trampel.
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