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Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Abbott
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fühle mich kühn und mutig und gehe einfach die Einfahrt entlang bis zum Haus, ich lege sogar die Hände daran. Die Wand ist kalt, meine Finger gleiten über Backstein und Putz und Holzleisten.
    Die Garage sieht aus wie ein Gruselhaus. Dort sollte er die Pornos und so versteckt haben und den Snuff-Film und alles Mögliche, was dann am Ende alles doch nicht dort war. Ich drücke mir die Nase an einer halb blinden Scheibe platt, sehe aber nur mein eigenes Gesicht, ein verschmiertes Negativ, mit großen, blinzelnden Augen.
    Ich stelle mir vor, dass das vielleicht Mr. Shaws privater Rückzugsraum ist, wo er sich hinsetzen oder vielleicht sogar auf den kalten Beton legen konnte und rauchen und sich Sachen vorstellen.
    Gleich hinter der Garage lege ich die Hand wieder ans Haus. Diesmal berühre ich etwas noch Kälteres, aus Metall, und ich sehe, dass es so eine von beiden Seiten zu öffnende Klappe für den Milchmann ist, von früher, wie wir sie auch haben, nur bei uns ist das Scharnier kaputt, mein Dad hat es nie repariert. Früher haben Evie und ich uns dort kleine Botschaften hinterlegt, und manchmal tut sie immer noch Dinge dort rein – eine Haarspange, einen Schlüsselanhänger mit Fußball – und ich brauche Monate, um es zu finden, oder überhaupt daran zu denken, mal wieder reinzugucken.
    Bei uns ist die Klappe knallgrün angemalt, diese hier ist braun und halb von Efeu überwachsen. Man könnte sie völlig übersehen. Ob die Polizei sie bemerkt hat?
    Ich schiebe die Finger unter die kleinen Ranken und halte das Scharnier fest, das nicht kaputt ist, und ich muss nicht mal fest ziehen, und die Klappe geht auf.
    Ohne drüber nachzudenken, stecke ich die Hand hinein. Ich taste darin herum, fühle aber nichts außer dem Kitzeln des Efeus am Handgelenk.
    Aber als ich die Hand schon wieder rausziehen will, höre ich ein ganz feines Knistern.
    Etwas klemmt unter dem Rand der Klappe.
    Ich greife danach und spüre etwas Weiches aus Plastik, und dann noch etwas, etwas Kühles, Knubbeliges. Jetzt ziehe ich daran, packe alles mit beiden Händen und renne zur Straßenlampe, um nachzusehen, ob ich das gefunden habe, was ich glaube.
    Habe ich.
    Eine Schachtel Parliaments, noch fünf drin. Und mit einem Gummiband daran befestigt ist ein silbernes Feuerzeug mit Deckel. Nicht so ein Supermarktding. Es ist etwas Besonderes, alt und schwer. Ich presse die Finger auf die Gravur, ein Siegel wie der Kennedy Half Dollar, solche, wie mein Großvater sie in einem großen grünen Glas auf seinem Schreibtisch gesammelt hat, als ich noch klein war.
    Das ist es. Das ist es. Ich habe recht. Ich weiß alles.
    Du weißt es doch auch, hat Dusty gesagt. Du weißt doch immer alles. Ich dachte, du weißt es.
    Ich wusste es. Und ich weiß es. Und irgendwie weiß Dusty es auch.
    Es war Shaw. Es war immer Shaw. Shaw da draußen, jede Nacht.
    Und die Polizei, was wissen die? Übersehen das, übersehen alles.
    Immer und immer wieder fahre ich mit dem Finger um das Emblem.
    Ich habe das Gefühl, so da zu stehen wie Mr. Shaw, ich spiele mit dem Feuerzeug herum, neben Mr. Verver, und beobachte Evie beim Radschlagen, eins nach dem anderen.
    Die Zigaretten, das Feuerzeug, sie zu sehen, was für eine Befreiung. Es hat geradezu einen Sog, ich spüre die ganze Kraft dessen, was passiert ist. Diese kühlen Dinge in meinen heißen Händen bringen mich zum Kern der ganzen Sache.
    Ich stehe da und berühre das alles und denke plötzlich an Fingerabdrücke und Beweise und mein gesammeltes Fernsehkrimiwissen, das ich total außer Acht gelassen hatte. Aber jetzt ist es zu spät, und so drücke ich die Packung froh an mich.
    Ich hocke mich ins üppige Gras unter der Straßenlampe und schüttele die Zigaretten aus der Packung. Irgendwie will ich sie ansehen, bei ihnen sein.
    Aber da flattert noch etwas anderes zwischen den Zigaretten heraus.
    Es landet auf dem Rasen, und ich hebe es vorsichtig auf.
    Ein Foto, aus einer Zeitung ausgeschnitten, zusammengerollt, es sieht aus wie ein Finger.
    Ich kenne das Foto. Es ist nur ein winziger Ausschnitt, ein Schnipsel, 5 Zentimeter breit und genauso lang. Aus dem Artikel über das Fußballturnier der Junior Highschool.
    Ich kenne das Bild so gut, weil es mit dicken Glitzerreißzwecken an meiner Pinnwand hängt.
    Es ist Evie, und daneben, halb durchgeschnitten, ich.
    Vor einem Jahr, auf dem Bild, da kannten wir uns noch durch und durch. Aber jetzt habe ich das Gefühl, Evie entgleitet mir. Da sind Stellen in Evie, die ich nicht

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