Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)
Herd war so heiß, und die ganze Hitze in ihrem Gesicht. Als würde sie glühen. Sie konnte einfach nicht mit mir sprechen, Lizzie.«
Ich lege kurz die Hand über die Muschel und hole tief Luft, dreimal. Ich höre ihn reden. Aber ich kann nicht mehr zuhören.
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18.
E s ist neun Uhr am Abend des längsten Tages, den ich je erlebt habe. Ist es wirklich erst zwölf Stunden her, dass ich bei den Ververs vor der Tür stand, mit einer Riesenlüge auf den Lippen?
Zuerst kommt die Musik, fast gespenstisch, und ich denke, ich träume.
Die Musik hat ein seltsames Echo, wie im Museum oder in der großen Bibliothek in der Stadt, wenn das Stimmengewirr an- und abschwillt.
Wie in diesen Geschichten, die wir in der Schule gelesen haben, von den Sirenen, die Lieder singen und damit die Seemänner gegen die Klippen locken.
Ich stolpere die Treppe hinab und zur Verandatür hinaus.
Mein Herz pocht, als ich ihn sehe. Mr. Verver ist wieder da und wässert die vertrockneten Blumen und brüchigen braunen Sträucher mit dem Gartenschlauch. Eine Bierflasche steht zu seinen Füßen, Schaum quillt heraus, und zwei leere klappern leise auf dem Fensterbrett neben einem kleinen Lautsprecher, aus dem traurige Geschichten von verlorener Liebe und der Einsamkeit der Straße kommen.
Dann dreht er sich um und sieht mich …
Und es ist wie alle Wunder dieser Welt auf einmal.
Meine Füße verfangen sich in dem verdrehten Schlauch, und ich falle fast auf ihn. Er fängt mich auf und lächelt, aber es ist kein echtes Lächeln.
Du brauchst das nicht zu tun, denke ich. Du brauchst nicht zu lächeln oder irgendetwas anderes zu tun, ich fühle es auch. Diese schreckliche Ahnung, dass etwas von mir geht. Ich weiß nicht, was es bedeuten soll, aber diese Ahnung ist da.
Er erzählt mir ein bisschen was, nicht viel. Dass die Polizei davon überzeugt ist, ihn zu finden, und zwar bald. Dass das FBI noch mehr Leute auf den Fall angesetzt hat, und dass sie das Auto bestimmt finden werden. Dass sie eine Fangschaltung bei uns installieren wollen, für den Fall, dass Evie noch einmal anruft. Und da Mr. Shaw fast kein Geld mehr hat und seine Frau eine Anzeige fürchten muss, also …
»Sie sind sehr zuversichtlich«, sagt er. Das Wasser ergießt sich auf die Ringelblumen. »Ich glaube nicht, dass sie das sagen würden, wenn sie nicht wirklich davon überzeugt wären.«
»Bestimmt«, pflichte ich ihm bei.
Ich sehe ihn an und er mich.
»Was würde ich ohne dich machen, Lizzie«, sagt er, und sein Blick richtet in mir ganz schön was an.
Er setzt sich und macht sich noch ein Bier auf. Ich frage, ob ich auch einen Schluck haben kann, und er sagt, auf keinen Fall, was ich auch erwartet hatte.
»Also nein«, sagt er dann, »was bin ich für ein schlechter Gastgeber. Nimm dir doch was anderes zu trinken.« Er zeigt auf die Kühltasche auf der Veranda.
Ich drehe mich um, und mich trifft ein kalter Wasserguss.
Er erwischt mich total unerwartet, ich ringe nach Luft, und Mr. Verver ist kurz davor loszulachen und lässt den Gartenschlauch fallen.
Ich muss nun wirklich lachen, so laut, dass es fast wehtut und ich gleich heiser werde.
»Dusty kann es nicht leiden, wenn ich das mache«, sagt er und versucht ernst zu bleiben. »Sie meint, ich mache ihr nur die Frisur kaputt.«
Ich habe ein breites Grinsen auf dem Gesicht und setze mich endlich hin.
Mein T-Shirt ist nass, die Tropfen kitzeln. Ich ziehe an meinem triefenden T-Shirt, und als ich es loslasse, klebt die Baumwolle eng an meinem Oberkörper. Man sieht alles. Ich sehe an mir herunter, keine Chance, etwas zu verstecken. Mr. Verver bemerkt meinen Blick und sieht weg.
Ich lege den Kopf in den Nacken und sehe, dass sich hinter Evies Fenster etwas bewegt. Es wundert mich gar nicht, so verträumt bin ich gerade, aber dann erkenne ich den goldenen Schimmer von Dustys Haaren. Dusty ist da oben und beobachtet uns.
Ich schaue genauer hin, kann aber nichts mehr erkennen außer Evies Fußball-Mobile, das in der Abendluft sanft hin- und herschwingt.
Das nächste Lied fängt an, es klingt düster, aber nicht traurig. Eher schwermütig. Ein Gefühl der Verlassenheit, wie in dem Durcheinander am letzten Schultag, das Gebäude ist fast leer, übrig gebliebene Lehrbücher liegen aufgeschlagen herum, niemand ist mehr in den Klassenzimmern, die Spindtüren stehen weit offen, es riecht nach Feuerwerk und Drohungen.
Ich weiß nicht, was ich mit dem Lied anfangen soll.
Ich bin froh, als es zu Ende ist und ein
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