Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)
zu.
Dieses wunderschöne Zimmer, lauter plüschige rosa Rundungen und Schnörkel.
Endlich losgelassen, stolpere ich rücklings gegen ihren Schreibtisch und bleibe dort stehen, meine Zehen bohren sich in den weichen mintgrünen Teppich.
Ich versuche, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. Reibe meinen Arm, bis er nicht mehr taub ist.
»Sie hat dich also einfach so angerufen, ja?«, fragt sie. »Meine Schwester hat dich angerufen.«
»Ja«, sage ich, schnell und gepresst, und versuche, so gut es geht, das Zittern in meiner Brust zu ignorieren. Irgendwie war es einfacher, Mr. Verver diese Geschichte aufzutischen, sogar der Polizei.
»Wie das wohl kommt, dass du immer mitten drin bist«, sagt sie, atmet bewusst langsamer, beruhigt sich. Spricht langsamer. Zum ersten Mal merke ich, wie sehr sie sich anstrengt, cool zu bleiben. Zum ersten Mal merke ich, wie schwer es für sie sein muss.
Das gibt mir Kraft.
»Sie hat mich angerufen«, sage ich, mit erhobenem Kinn, wie sie.
Sie zögert einen Moment, dann seufzt sie tief, gelangweilt, zieht sich das verschwitzte T-Shirt über den Kopf, und es klatscht feucht gegen meine Knöchel. Es geschieht alles in einer einzigen, schnellen, fließenden Bewegung, und da steht sie, in einem Rüschen-BH aus gelbem Ginganstoff.
Mein Blick wandert sofort zu den sanften Rundungen ihrer Brüste, dann dreht sie sich um und greift nach einem hellrosa T-Shirt, das über ihrem Schreibtischstuhl hängt, und zieht es sich über, alles so schnell, dass ich es fast nicht mitbekomme.
Diese Brüste sind nicht zu fassen. Ich fühle mich, als wäre ich sieben Jahre alt, oder ein Junge.
Der Gedanke lenkt mich so ab, dass ich vergessen habe, was mir bevorsteht, aber jetzt fällt es mir wieder ein.
Sie lässt sich aufs Bett fallen und stützt sich auf die Ellbogen. Ich sehe feine Schnittwunden an ihren Armen und weiß, dass sie wieder trainiert und dabei Schrammen von Hockeyschlägern abbekommen hat. Sie sieht mich an und kommt gleich wieder zur Sache.
»Sie ruft dich einfach so an«, sagt sie, rutscht ein wenig hin und her, drückt die Ellbogen ins Kissen, »genau wie du zufällig einfach so die Zigaretten gefunden hast. Dir ist auch ganz zufällig auf einmal das Auto wieder eingefallen. Und die Zigarettenkippen unter dem Baum.«
»Ich will doch nur helfen«, antworte ich, und auch wenn es stimmt, auch wenn ich weiß, dass es wahr ist, hört es sich an wie eine Lüge.
Die Lüge liegt aber nicht in dem, was ich sage. Die Lüge steckt irgendwo anders, und ich werde nicht danach suchen. Mir ist bloß plötzlich klar, dass ich eigentlich nur noch lüge.
Sie sieht mich einfach nur an, aber ich erkenne die Gehässigkeit in ihrem Blick ganz deutlich. Typisch Dusty; als hätte ich einen Pass zu kurz geschlagen oder den Ball mit dem Fuß berührt.
»Und was machst du?«, fahre ich sie an. Gegen Dusty kommt man nur an – hat Evie immer gesagt, auch wenn sie es kaum mal geschafft hat –, indem man zurückschlägt. Ihr den kräftigeren Stoß versetzt, den härteren Schlag. Anders geht es nicht. »Du machst gar nichts. Du hilfst nicht mal deinem Dad.«
Ich fürchte, sie wird sofort aufspringen, aber das tut sie nicht. Sie sieht mich nur an. Ihr Schweigen macht mich fertig. Ich weiß nicht, wie ich damit umgehen soll.
»Wenn du mir nicht glaubst«, sage ich und versuche, weiterhin entschlossen zu klingen, »warum sagst du dann nichts? Wieso hast du deinen Eltern nicht gesagt, sie sollen mir nicht glauben?« Ich kann nicht fassen, dass ich das gerade sage. Die Vorstellung, sie könnte es ihrem Vater sagen, ihn dazu bringen, dass er mir nicht mehr glaubt, ist unerträglich.
»Lizzie«, antwortet sie, und ihre Worte fließen träge aus ihr heraus, unglaublich cool. »Du weißt überhaupt nichts. Du weißt überhaupt nichts über Evie. Über ihn.«
Und irgendwas, dieses Ding, das in meinem Kopf herumgerattert und an alle Ecken gestoßen ist, findet endlich einen Platz.
Vor Wochen, die Unterhaltung mit Dusty über Mr. Shaw. Du weißt doch immer alles, hatte sie gesagt. Ich dachte, du weißt es.
»Was soll das denn heißen?«
»Das soll heißen«, sagt Dusty in einem gelangweilten Singsang wie eine genervte Lehrerin, »sie wusste, dass er sie beobachtet. Verstehst du? Sie wusste es.«
Wie wenn man im Keller einen zerknickten Karton findet, und da drin ist das alte Buch mit dem Goldfolienrücken, die Puppe mit den krausen Haaren und den aufgemalten Sommersprossen, ein Dutzend Sachen, von denen man dachte,
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