Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Abbott

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aufhören.
    »Du bist sicher, dass sie es war?«
    »Wie klang sie?«
    »Hat sie gesagt, sie ist allein?«
    »Hatte sie Angst?«
    Er braucht ein paar Minuten, bis er die Polizei anruft, und ich glaube, er denkt wirklich darüber nach, loszufahren und sie selbst zu suchen.
    Das alles macht mir Sorgen, nicht zuletzt, weil Pete Shaw zwar vorgestern Geld an das Five of Diamonds Motel angewiesen hat, das aber nicht bedeuten muss, dass sie noch dort sind.
    Und wenn doch?
    Sie sind bestimmt noch da.
    Ich warte und male mir aus, an ein großes, getöntes Motelfenster zu klopfen. Ich klopfe und schaue hinein, durch Vorhänge, die mit einer Plastikklemme zugehalten werden. Lasst mich rein, lasst mich rein. Oh, Evie, du bist so nah, als wären wir wieder sechs Jahre alt und spielten Fangen, und ich jage dich, mit hämmerndem Herzen, und du bist so nah, und ich strecke die Hand nach dir aus und spüre deine dunklen Haarspitzen an den Fingern, sie kitzeln mich an den Fingerspitzen.
    Oh, Evie, du bist schon so lange weg, fast schon ganz verschwunden, merkst du das? Ich werde dich zurückholen …
    Mit der Polizei ist es schwieriger. Sie stellen bessere Fragen, und sie hören mit klarerem Kopf zu. Sie fragen mich immer wieder, was genau ich gehört und nicht gehört habe, was ich gesagt habe, und vor allem, was ich glaube, warum sie mich angerufen hat, und nicht ihre Familie.
    Ich sage, ich weiß es nicht.
    Ich bin cool, eiskalte Perfektion.
    Zwischendurch fürchte ich, dass sie unsere Anrufe zurückverfolgen können. Können sie das? Wissen sie es dann? Im Fernsehen wissen sie alles.
    Aber Lizzie, werden sie sagen, heute Vormittag ist gar kein Anruf bei Euch eingegangen. Aber den Gedanken verdränge ich. Ich muss.
    Mrs. Verver ist jetzt auch da, sie ist von ihren Eltern zurückgekommen, ihr Haar ist grau an den Wurzeln, als wäre sie in den paar Wochen um Jahre gealtert. Ihre Sonnenbräune ist verblasst, ihre Haut straff um ihre Knochen gespannt, sie geht wie unsere Schulbibliothekarin, die immer endlos herumschlurft und irgendein Buch sucht und dann langsam mit angelecktem Finger umblättert.
    Diesmal redet sie. Immer wieder sagt sie: »Wie können wir sicher sein? Woher sollen wir wissen, dass uns da keiner einen Streich spielt? Kinder von der Schule. Kinder können ganz schön brutal sein. Kinder sind grausam.«
    Einer der Beamten versucht, sie zu trösten, Mr. Verver ist zu aufgekratzt, um dabei behilflich zu sein, er hält sich dicht an die Beamten wie ein Football-Star, der sich für das große Spiel bereit macht.
    Detective Thernstrom sagt, sie haben ein Five of Diamonds Motel in Indian Wood gefunden, dreiundzwanzig Meilen entfernt. Er schickt Beamte hin. Er selbst fährt mit.
    Mr. Verver sagt, er fährt auch mit, und niemand hält ihn zurück.
    »Sollte Lizzie nicht auch mit?« Er zieht mich an sich und legt mir den Arm um die Schulter. »Wenn sie bei Lizzie angerufen hat, dann sollte Lizzie auch dabei sein.«
    Ich bin unter seinem Arm begraben, und es gibt eine Diskussion, sogar erhobene Stimmen, und ich kriege nichts davon mit, mein Kopf glüht, mein Magen macht komische Sachen, aber sie lassen mich nicht mitfahren, sie lassen mich nicht.
    »Sie muss mitkommen. Sie kann ja im Auto bleiben, aber sie muss mitkommen.« Das sagt Mr. Verver, im strengsten Ton, den ich je von ihm gehört habe.
    Ich sehe Mrs. Verver an der Tür, die Handtasche über der Schulter, sie sieht niemanden von uns an, und in dem Moment merke ich, dass ich keine Ahnung habe, wo eigentlich Dusty ist, und ich frage mich, ob es überhaupt jemand weiß.
    »Sie muss mit«, sagt Mr. Verver. »Ich brauche sie.«
    Der Diamant ist riesig, er dreht sich, und ich wette, nachts leuchtet er. Man kann ihn vom Highway aus sehen, ein großes Metallschild, viel größer und schöner als das Motel, das aussieht wie ein plattgetretener Schuhkarton.
    Die Polizei hat meine Mutter angerufen, sie wollte erst mal mit mir sprechen, aber dann hat sie eingewilligt. Sie mussten ihr versprechen, dass ich das Auto nicht verlassen würde, und dass ein Beamter die ganze Zeit bei mir bleibt.
    So ging das eine Weile, und als sie endlich einwilligte, war Mr. Verver längst unterwegs und meilenweit voraus, mit Mrs. Verver und zwei Detectives.
    Jetzt sind sie an der Rezeption, und ich sitze mit zwei Beamten im Auto, von denen einer, der mit dem weißen Bürstenhaarschnitt, dauernd ein Lied über ein Mädchen singt, dessen Augen wie Diamanten aus den Minen sind.
    Wir warten auf dem