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Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Abbott
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schon den Gedanken nicht erträgt. »Noch nicht.« Er zögert. »Aber sie ist nach Hause gekommen, Lizzie. Sie hat es nach Hause geschafft. Sie hat sich nach Hause durchgekämpft.«
    Seine Worte klingen groß und wie im Film, und ich würde mich gern unter ihnen zusammenkuscheln. Aber es fühlt sich nicht richtig an. Nichts davon. Und es fühlt sich auch überhaupt nicht an, als ob es zu Ende wäre.

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    19.
    E s gibt nichts zu tun. Mr. Verver ist bei Evie drin, und ich weiß, ich sollte nach Hause gehen, aber in mir hallt ein komischer, hohler Ton, und ich streife durch die Krankenhausflure, lasse mein Fahrradschloss an der Wand entlangschleifen und starre traurig auf die ganze Keimfreiheit und Krankheit.
    Was dann passiert, ist irgendwie seltsam, ein Mann guckt mich an, als ich einen langen Flur mit lauter Postkarten an langen schwarzen Brettern entlanggehe.
    Er lehnt am Tresen der Krankenschwestern, als würde er auf mich warten.
    Ich überlege, ob ich irgendwie Ärger kriege, also werde ich langsamer, und als ich ein paar abgenutzte pastellfarbene Stühle sehe, setze ich mich auf einen, als hätte ich einen Grund, hier zu sein.
    Da kommt der Mann auf mich zu, und ich fürchte mich, bis ich sehe, dass es Dr. Aiken ist, im weißen Kittel und allem.
    Ich erinnere mich an seine sanfte Stimme, die ich am Abend zuvor durch die Wand gehört habe, und wie sie mich beruhigt hat. Er strahlt irgendwie so eine Ruhe aus, jedenfalls wirkt es so auf mich. Bei all dem Chaos, das er verursacht, dass er bei uns durchs Gebüsch kriecht und in der Küche herumrutscht, hat er doch etwas Beruhigendes. Angenehmes.
    »Lizzie«, sagt er. »Das habe ich mir schon gedacht.«
    »Arbeiten Sie hier?«, frage ich, weil ich dachte, er hätte eine eigene Praxis.
    »Unter anderem, ja.«
    »Oh«, sage ich und stelle fest, dass er eine neue Brille hat, mit einem ganz dünnen Drahtgestell. Solche hat Mum immer für Dad ausgesucht. »Ich bin wegen Evie hier.«
    »Ja«, sagt er vorsichtig. »Sie wird schon wieder.«
    »Was ist denn passiert?«, frage ich mit piepsiger Stimme, als müsste ich gleich weinen. Ich bin selbst erstaunt, wie das klingt. »Was hat er … ist sie …«
    Es gibt zu viele Wörter, und keins kommt mir richtig vor, keins scheint alles ausdrücken zu können.
    »Sie wird wieder«, sagt er. »Keine Sorge.«
    Dann dreht er sich schnell um und sieht zur Uhr.
    »Ich glaube, sie entlassen sie heute noch«, sagt er und sieht immer noch zur Uhr. Wahrscheinlich ist er zu nervös, um mich anzusehen. Er weiß nicht, was er sagen soll. Es kommt mir auch so vor, als täte ich ihm leid. Warum auch immer.
    Meine Mutter fährt mich nach Hause, mein Fahrrad im Kofferraum. Sie ist jetzt richtig wach, nicht so wie vorhin, und sie ist sauer, aber was für Sorgen kann sie sich schon gemacht haben? Wo sollte ich denn sonst sein?
    »Ich habe deinen Freund gesehen«, sage ich.
    »Meinen Freund«, sagt sie, den Blick auf die Straße gerichtet.
    Ich warte und warte, aber mehr sagt sie nicht, als wäre sie an dem Wort kleben geblieben und käme nicht mehr davon los.
    Als wir ins Haus kommen, klingelt das Telefon. Es ist Tara Leary, und ich weiß, sie will Neuigkeiten austauschen. Sie sagt, ich soll mich bei Kelli zu Hause mit ihr und Joannie treffen. Sie seien schon da, und sie wisse alles.
    »Das glaube ich kaum«, sage ich, aber natürlich will ich es auch wissen. Aber ich will es nicht von Tara erfahren. Ich will nichts davon aus Taras zuckersüßem Mündchen hören.
    »Geh schon«, sagt meine Mutter und lässt sich an den Küchentisch fallen. »Mach’s dir nett mit deinen Freundinnen.«
    Sie besteht darauf, mich hinzufahren, obwohl es nur sechs Blocks weit ist.
    »Ruf mich an, wenn ihr fertig seid«, sagt sie. »Viel Spaß.«
    Ich frage mich, ob sie überhaupt irgendwas kapiert.
    »Hast du gehört«, sagt Tara entschlossen. Sie kann sich kaum zurückhalten. Wir sitzen dicht zusammengedrängt auf dem Sofa im kleinen Wohnzimmer und trinken mit Strohhalmen kalte Orangenlimo aus Dosen. »Er hat sie am Straßenrand abgesetzt.«
    »Sie ist abgehauen«, sage ich. »Sie ist geflohen. Aus dem Auto gesprungen.«
    »Quatsch«, sagt Tara. »Die Kellnerin bei Dawn Donuts hat den Wagen auf dem Parkplatz gesehen. Sie haben da zehn Minuten gestanden, und dann ist Evie ausgestiegen. Und er ist abgedüst wie ein Bankräuber.«
    »Nein.« Ich schüttele den Kopf. »Warum sollte er sie einfach da absetzen, nach allem?«
    In Gedanken gehe ich zurück zu den

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