Das Ende der Unschuld: Roman (German Edition)
einmal innehält, und genau in dem Moment singt der Sänger darüber, dass schwarze Mädchen die ganze Nacht gefickt werden möchten.
Mr. Verver zuckt zusammen und sieht mich an, und ich werde sicher total rot, er kann die Hitze, die von meinem Gesicht ausgeht, bestimmt spüren.
Er lacht, und als er sein Bier vom Boden nimmt, erschreckt mich die Kälte an meinem Bein, und auf einmal muss ich auch lachen. Wir sehen uns an und lachen, ein seltsames, schrilles Lachen, und mir ist heiß und zittrig.
Wir lachen so sehr, dass ich den Stuhl unter mir kratzen höre, und ich schaue hinunter und sehe, dass meine Finger sein Handgelenk umfassen.
Ich spüre seinen Puls unter meinen Fingern. Oh, wie es pocht, ich fühle es. Es pocht schnell, und mein Herz …
Ich schaue hinunter und sehe meine Finger dort.
Seine Hand liegt auf der Armlehne, und sie sind dort, mein Gott, sie sind dort, meine Finger sind um sein Handgelenk geschlossen.
Er sieht auch hinunter.
Dieser Sekundenbruchteil dauert ewig, und ich halte die Luft an.
Er tätschelt mir die Hand und lächelt, macht etwas ganz anderes daraus, nur für mich. Er macht etwas anderes daraus, etwas Harmloses, Unbedeutendes.
Das Lied ist zu Ende, ein neues Lied fängt an, und Mr. Verver redet davon, dass ich bald Tanzen gehen werde.
»Die Jungs werden um dich rumschwirren«, sagt er. »Aber hallo.«
»Ach, ich weiß nicht«, sage ich. »In der Schule gibt es niemanden, mit dem ich gern tanzen würde.«
Und er grinst und erzählt mir, wie er das erste Mal tanzen war, und dass er sich unbedingt trauen wollte, ein Mädchen namens Miranda Morton zum Tanzen aufzufordern, und wie hübsch sie war, die Haare hochgesteckt wie eine Ballerina. Aber er hat sich nicht getraut. Und dann hat sein Freund Toby sie stattdessen aufgefordert, und sie hat Ja gesagt.
Mr. Verver war rasend eifersüchtig, er sah sie im Stroboskoplicht zusammen tanzen und stellte sich vor, er wäre es, der Miranda Morton im Arm hielt, der ihr Handgelenk, zerbrechlich wie Glas, in der Hand hatte.
Während er zusah und sich das vorstellte, sah er sein Leben vor sich ablaufen – das sagt er wirklich, vor sich ablaufen, und er breitet die Arme aus –, ein königliches Leben an der Seite von Miranda Morton. Ein Leben voller Schönheit und Wärme und goldener Tage.
Aber dann entdeckte er Mirandas Freundinnen, die in einer Ecke standen und sich kaputtlachten, und merkte, dass Miranda hinter Tobys Rücken die ganze Zeit die Augen verdrehte.
»Das werde ich nie vergessen«, sagt er und piekt mir mit dem Finger genau in die Rippen. »Wie grausam Frauen sein können.«
Immer wieder sticht er mir in die Rippen, während er das sagt, und ich muss einfach lachen. Aber sein Finger da, er …
»Du verstehst also, Lizzie«, sagt er, »du musst mit den armen Kerlen tanzen. Du hast ja keine Ahnung, wie wichtig es ist, und was diese Tänze einem bedeuten. Du musst wiedergutmachen, was die Miranda Mortons dieser Welt anrichten.«
»Mache ich«, sage ich, und das meine ich auch so, auch wenn ich es nicht einmal richtig verstehe.
»Du tanzt mit ihnen«, sagt er und trinkt einen großen Schluck Bier, »und dann träumen sie noch wochenlang davon, monatelang, jahrelang. Jahrzehntelang. Sie spielen es in ihren fiebrigen kleinen Köpfen immer wieder durch.« Er sieht mich an. »Würde dir doch bestimmt gefallen.«
»Klar«, sage ich. Klar.
»Lizzie.« Sein Blick ist so warm, so warm, dass ich es bis in die Zehenspitzen spüre. »Du wirst reihenweise Herzen brechen, eins für jeden Finger und jeden Zeh.«
Er stößt mich mit dem Fuß an, und das löst ein Kribbeln in mir aus, dass mir die Luft wegbleibt.
»Aber denk immer daran«, sagt er und sieht mir in die Augen, »ich hab es dir als Erster gesagt. Ich war der Erste.«
Die Worte wummern in mir, hart und wild. Wie könnte ich das je vergessen? Als könnte ich das jemals vergessen.
»Ihr Mädchen wisst ja nicht, wie schwer das ist«, sagt er und lächelt wieder. »Das Auffordern, das Umwerben.«
Einfach so redet er plötzlich wieder mit mir wie mit einem Kind, als wäre ich eine kleine Pfadfinderin, die in seinem Keller das Leiterspiel spielt.
Bevor ich es verhindern kann, sind mir die Worte schon herausgerutscht.
»Ich weiß schon ein paar Dinge über Jungs.«
Er sieht mich an.
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Ich weiß ein paar Dinge«, sage ich, und dann würde ich mich gerne in ein Mauseloch verkriechen.
»Na ja«, sagt er zögernd und betrachtet mich genau,
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