Das Ende der Welt (German Edition)
entgegen. Nicht wenige von uns warteten darauf, dass sie ihm abgebissen wurde. Wie oft hatte ich Sönn fluchen hören, wenn die Rede auf den Kanzler kam.
Mir fiel auf, dass Amandus nicht geschminkt war. Die meisten Senatsbürger kleisterten ihre Gesichter mit Unmengen von weißer Farbe zu. Männer wie Frauen.
Sie verbargen damit ihre Haut, da diese das Alter und den Gesundheitszustand anzeigte. Und alt und krank wollte niemand sein, denn das galt als unrein.
Viele Senatsbürger malten sich zusätzlich goldene Sonnensymbole auf die Gesichter.
Neben Amandus saß seine Tochter, der er jetzt beim Aussteigen half. Amandus hatte sie allein aufgezogen, weil ihre Mutter früh gestorben war.
»Er spielt Mutter für die Kleine«, hatte sich Cato lustig gemacht. »Ob man dabei ein Mann bleibt, wage ich zu bezweifeln.«
Keiner verstand, warum er das Mädchen behalten hatte. Mutterlose Kinder wurden für gewöhnlich ausgesetzt oder in ein Heim gegeben. Ich sah sie mir genauer an. Sie war etwa in meinem Alter. Ihr dunkles, fast schon schwarzes Haar hatte sie zu einem Kranz nach Art der Zefmädchen geflochten. Das war eine Mode unter den
Senatsbürgerkindern.
Amandus’ Tochter trug einen blutroten Mantel, dazu einfache Stiefel, mit denen sie fest auftrat, als müsste sie sich vergewissern, dass der Boden sie auch trug. Sie war schlank wie ihr Vater und hatte ebenso wie er eine kerzengerade Haltung. Doch während Amandus gelöst wirkte, hatte seine Tochter etwas Wachsames an sich. Sie erinnerte mich an eine entsicherte Pistole. »Die wäre doch was für dich«, flüsterte Prüm und stieß mir seinen Ellenbogen in die Rippen. »Sie heißt Leela und nutzt ihren hübschen Kopf am liebsten zum Denken, heißt es.«
»Na und?«, zischte ich ihn an.
»Du kennst doch den Spruch: Weiber und Soldaten sollen nicht denken, sondern Befehle befolgen. In der ihrem Hirn ist garantiert genauso viel Scheiß drin wie in deinem. Ihr würdet gut zusammenpassen.«
»Halt die Schnauze, Prüm.«
Er lachte meckernd.
Amandus und seine Tochter schienen auf etwas zu warten. Als ein weiterer Wagen ankam, wollte Leela weitergehen, doch Amandus hielt sie zurück und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Sie schüttelte den Kopf, riss sich los und stellte sich ein Stück abseits.
Aus dem angekommenen Wagen stieg der Senator für Innere Angelegenheiten, wie mir Prüm erklärte. Ich fragte mich, woher er so gut informiert war. Ein zweiter Mann, der wie eine jüngere Ausgabe des Senators aussah, kletterte hinterher. Er war ein Schönling mit langem Haar und einer Uniform mit einem verzierten Messer am Gürtel. Manche Senatsbürger bekleideten ehrenhalber einen Offiziersrang, dabei hatten sie nicht wirklich etwas zu befehlen, und kämpfen taten sie auch nicht. Die Senatsbürger lehnten Gewalt ab. Dafür gab es die Armee. Aber viele dieser uniformierten Bürgersöhnchen machten sich wichtig und verbreiteten schlechte Luft, weshalb wir sie Stinker nannten. Der Stinker sah sich um, und sofort sprang ein Uniformierter herbei und nahm ihm den Mantel ab.
»Er heißt: Donard«, sagte Prüm.
»Das ist nur ein anderes Wort für Arschloch«, gab ich zurück.
»Er ist Leelas Bräutigam«, sagte Prüm.
»Was interessiert mich das?«, herrschte ich ihn an und dachte gleichzeitig, dass Leela und Donard gut zueinander passten. Der gleiche hochmütige Ausdruck, die gleichen kalten Augen. Ich wischte die Gedanken weg und konzentrierte mich auf meine Aufgabe.
Amandus hatte inzwischen Cato begrüßt und sich dann zum Wählen angestellt. Während er langsam weiterrückte, unterhielt er sich abwechselnd mit seinem Vorder- und Hintermann.
Als Amandus auf meiner Höhe war, passierte es: Ein Mann stürzte auf ihn zu und riss ihn um. Die beiden prallten gegen mich, und wir landeten alle drei auf der Erde. Geistesgegenwärtig schlug ich auf Amandus’ Angreifer ein und riss an seinem Ohr. Er fluchte, schlug um sich und traf mich an der Stirn. Ich trat nach ihm, doch da waren schon die Kameraden da und knüppelten auf den Mann ein. Jemand zog mich hoch. Amandus war bereits auf den Beinen und stand ruhig da. Nur seine Unterlippe zitterte ein wenig. Ich hatte erwartet, dass er kreischen und sich wie ein Weib benehmen würde, doch stattdessen beruhigte er seine Tochter, die ihm immer wieder weinend über das Haar strich. Amandus sah sich um, entdeckte mich und winkte mich heran.
»Bist du verletzt?«, wollte er wissen.
Ich sah an mir herunter und merkte, dass meine rechte Hand
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