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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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blutig war und ich etwas zwischen den Fingern hielt: das Ohrläppchen des Angreifers. Angewidert warf ich es weg.
    Amandus blickte mich ruhig aus seinen grauen Augen an.
    »Ich danke dir!«, sagte er. »Du hast mich und meine Familie vor großem Schaden bewahrt.«
    Ich grüßte ihn, indem ich die linke Hand hob und die Finger spreizte, wie Sönn es uns beigebracht hatte. Amandus aber nahm meine Hand und schüttelte sie, woraufhin einige Senatsbürger um uns herum angewidert aufstöhnten.
    »Ich habe nur meine Pflicht getan, Kanzler«, sagte ich.
    Sönn hatte uns beigebracht, bescheiden zu sein und uns niemals einen Triumph anmerken zu lassen. Leela warf mir aus ihren kastanienbraunen Augen einen misstrauischen Blick zu.
    Hinter uns brüllte Cato die Kameraden an: »Was seid ihr für Versager? Fast wäre es einem Terroristen gelungen, den Kanzler zu töten. Wenn dieser junge Kamerad nicht gewesen wäre …«, er zeigte auf mich, »… der euren Arsch gerettet hat, dann würdet ihr noch heute allesamt in der Mine landen.«
    Amandus fiel ihm ins Wort. »Cato, wir wissen nicht, ob der Mann ein Terrorist war. Vielleicht war es ein Verwirrter, der …«
    »Das war ein gezielter Angriff, Exzellenz«, fiel Cato ihm ins Wort und sprach mit lauter Stimme, so dass jeder es hören musste: »Ich habe dir so oft geraten, Kanzler: Lass die Wahl ausfallen und ruf stattdessen den Ausnahmezustand aus. Du spielst nur unseren Feinden in die Hände. Du siehst ja, was sie alles unternehmen, um den Frieden zu erschüttern.«
    Amandus straffte sich und erwiderte: »Die Wahl wird fortgesetzt.«
    »Du machst einen Fehler«, sagte Cato.
    »Das werden wir im Senat besprechen«, antwortete Amandus ruhig und ließ ihn stehen, um sich in die Schlange der Wähler einzureihen.
    Ich verstand nicht, weshalb der Kanzler den Anschlag runterspielte, als sei er nur eine Kleinigkeit gewesen. Ich an seiner Stelle hätte augenblicklich Fluchtlöcher gestopft, die Armee in Bereitschaft versetzt und die Stadt unter Catos Befehl gestellt.
    »Verdammt!«, sagte Cato neben mir grimmig. Doch im selben Augenblick wechselte seine Stimmung, und er schlug mir lachend auf die Schulter. »Großartig, mein Junge«, sagte er. »Du hast eine große Zukunft vor dir. Wie heißt du?«
    »Er heißt Kjell«, sagte Sönn, der plötzlich neben uns stand und mich ruhig ansah. Ich wusste, wie stolz er auf mich war.
    »Was passiert mit dem Mann?«, fragte ich und zeigte auf Amandus’ Angreifer, der auf der Rückbank eines Jeeps saß. Er presste die Hand auf sein blutendes Ohr, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Seine gerade Haltung verriet den ehemaligen Soldaten.
    »Was soll schon mit ihm passieren?«, knurrte Cato. »Wir werden eine schöne Laterne für ihn suchen. Die wird er bald verzieren.«
    »Wird er nicht verhört?«, fragte ich. »Er ist doch bestimmt von Burger geschickt.«
    »Natürlich ist er das«, sagte Cato lachend und hob entschuldigend die Arme. »Warum also sollten wir den armen Kerl dann auch noch mit unserer Befragung belästigen?«

09
    Den nächsten Tag hatten wir frei. Prüm und ich schlossen uns Wolf und ein paar anderen Kameraden an, um die Stadt zu erkunden. In den Straßen türmten sich die Müllhaufen. Ratten wuselten scharenweise darauf herum und verteidigten sie gegen hungrige Zefs. Manchmal war es umgekehrt. Verwesende Hundekadaver säumten die Ecken. Unter einer Plane ragten die Füße eines Toten hervor, der kurz zuvor von einer Pferdebahn zerquetscht worden war. Nicht weit von unserem Quartier entfernt stand ein alter Turm, der wie ein riesiger Schlagstock aussah. Schräg dahinter erstreckte sich das Parlamentsgebäude. Ein mächtiger Bau aus rosarotem Stein.
    »Das war früher mal ein Kaufhaus«, sagte Wolf, der in einem uralten, zerfledderten Reiseführer blätterte, den er in unserer Kaserne gefunden hatte.
    »Was ist ein Kaufhaus?«, fragte Bones.
    »In dem nach Art déco erbauten Kaufhaus bieten vor allem kleine Läden Mode- und Sportartikel an«, las Wolf vor und lachte.
    »Verdammt, was sind Sportartikel?«, fragte Bones
    »Vielleicht etwas zu essen«, schlug Prüm vor.
    Wolf lachte.
    »Was wir heute Leibesübung nennen, hieß früher Sport.«
    »Ahh«, machten wir alle, als hätten wir es längst geahnt.
    »Aber was ist Art déco?«, fragte ich.
    Wolf zuckte mit den Schultern.
    »Eine Art ist so was wie eine Gruppe, zu der man gehört, und déco ist vielleicht eine Abkürzung für decodieren«, mutmaßte er. Wir nickten. Das klang

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