Das Ende der Welt (German Edition)
böse an. Ich tat, als würde ich ihn nicht erkennen, und schüttelte den Kopf.
»Wie kannst du es wagen?«, brüllte er. Ein paar Speichelflocken landeten auf meiner Nase.
Donards Geschrei lockte Leela aus ihrem Zimmer, die uns wütend ansah. »Leela, erklär diesem Bürschchen, wer ich bin, bevor ich die Geduld verliere«, sagte Donard mit unterdrückter Wut, wobei seine Lippen zitterten. Gerade als sie etwas sagen wollte, tauchte Amandus auf und fragte, was der Aufruhr zu bedeuten habe.
»Dieser Wachlakai wollte mich nicht zu meiner Verlobten lassen«, schäumte Donard.
»Er ist wie ein Ochse die Treppe hochgestürmt und auf mich zugerannt. Ich dachte, er wollte mich angreifen und Leela entführen«, verteidigte ich mich.
Die Umstehenden lachten, auch Amandus musste ein Lächeln unterdrücken.
Das stachelte mich an: »Ich habe das Messer an seinem Gürtel gesehen und hatte den Eindruck, dass er es jeden Moment zieht«, sagte ich zu Amandus.
»Das ist ja Irrsinn!«, schrie Donard mit sich überschlagender Stimme. »Der Kerl ist verrückt!«
Da bekam ich Hilfe von unerwarteter Seite.
»Es klang wirklich wie ein Überfall«, sagte Leela. »Ich war froh, dass Kjell so gut aufgepasst hat.«
Ich musste mich zusammenreißen, um nicht loszugrinsen.
»Wa …Wa …Was?«, stotterte Donard, dessen Gesicht schlagartig rot geworden war und an eine vollgesaugte Wanze erinnerte.
»Das ist doch …« Donard stammelte hilflos.
»Kjell wollte meine Tochter beschützen«, sagte Amandus. »Das ist seine Aufgabe.«
Ja, das war meine Aufgabe, und einem anderen hätte ich wahrscheinlich den Zutritt zu Leelas Zimmer gestattet, aber dieser Stinker reizte mich einfach.
An mich gewandt sagte Amandus: »Es ist nicht nur deine Aufgabe, meine Tochter zu schützen, sondern auch, ihren Bräutigam zu kennen.« Er lächelte. »Nun, jetzt kennt ihr euch, und ich bin davon überzeugt, dass so ein Irrtum nicht wieder vorkommen wird.«
Auf Amandus’ Bitte hin gaben wir uns die Hand.
»Wir sprechen uns noch, Bürschchen«, flüsterte Donard mir dabei zu. »Jederzeit«, flüsterte ich zurück.
Warum hatte Leela für mich Partei ergriffen, fragte ich mich, als ich wieder auf meinem Hocker saß. Das zeigte doch nur, wie verkorkst sie war. Eine Soldatenfrau hätte das niemals getan. Bei uns zählte Treue noch etwas.
Aber was interessierte mich Leela? Ich schüttelte den Kopf, um diesen Unsinn zu vertreiben.
12
Eines Morgens nach dem Frühstück überschlugen sich alle im Haus, weil es in der Stadt Reis geben sollte.
Ich begleitete Leela zusammen mit Oran zur Lebensmittelausgabe. Schon drei Ecken weiter stießen wir auf die Schlange, die sich davor gebildet hatte. Ich nahm an, wir würden noch vor allen anderen bedient, denn schließlich war Leela die Tochter des Kanzlers, doch sie stellte sich brav hinten an und wartete wie das gewöhnliche Volk. »Warum verscheuchen wir die Leute nicht und holen uns den Reis?«, fragte ich Oran.
Der verdrehte die Augen. »Amandus möchte nicht bevorzugt werden. Er möchte wie alle sein. Ein einfacher Bürger.«
Ich beobachtete Leela. Sie stand reglos da und hielt ihre Lebensmittelkarte fest wie einen Schatz, den Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet. Nur ihre Füße bewegten sich, sobald die Schlange sich in Bewegung setzte. Der feine Regen lief ihr über das Gesicht, doch das schien sie nicht zu stören. Hin und wieder unterhielt sie sich mit ihrem Vordermann, wie ein ganz normales Zefmädchen. Ich mochte sie noch immer nicht, aber langsam bekam ich etwas Respekt vor ihr. Sie war hartnäckig und hatte einen starken Willen. Nach stundenlangem Anstehen waren wir endlich direkt vor dem Laden, über dem in blutroten Buchstaben Feinkost stand. Ich grüßte den ordensgeschmückten Offizier, der vor der Tür stand. Zwar wunderte ich mich, dass er den Leuten die Tür aufhielt, aber was war in Berlin schon normal? Bis Leela mir zuraunte: »Du musst diesem Mann nicht salutieren. Das ist nur der Pförtner.«
Ich wurde schlagartig rot und sah den Kerl böse an, der mir höflich zunickte.
Als wir endlich im Laden waren, kaufte Leela einen Sack Reiskörner, den sie wie eine Beute stolz nach Hause trug.
Die Köchin ließ mich später vom Reis probieren: Er war mit Maden durchsetzt und schmeckte nach nichts. Ich verstand nicht, warum das Zeug bei den Senatsbürgern so beliebt war.
Ansonsten lebten wir von matschigen Kartoffeln und Muschniks, außer am Sonntag, wo jeder ein winziges Stück gebratenen
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