Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
Vom Netzwerk:
schaute zur Tribüne und erschrak: Leela und ihre Freundinnen waren verschwunden. Ich blickte mich hektisch um, bekam einen Schlag aufs rechte Auge und sah für einen Moment goldene Vögel herumflattern.
    Neben mir schrie eine Frau, die in der Menge wie in einem Sumpf versank. Ich versuchte sie rauszuziehen. Umsonst! Das Weiß ihrer Augen leuchtete, bis sie zwischen den stampfenden Beinen verschwunden war. Ich suchte Oran und die anderen Kameraden, fand sie aber nicht. Wild um mich schlagend, pflügte ich durch die Menge. Die Sorge um Leela trieb mich vorwärts. Vielleicht ist sie im Gedrängel zerquetscht worden oder jemand hat sie im Gefecht erstochen, ging es mir durch den Kopf. Als ich endlich die Tribüne erreicht hatte, konnte ich weder Leela noch eine ihrer Freundinnen entdecken. Stadtmiliz und Soldaten trieben die Leute auseinander, und langsam leerte sich der Platz. Ich lief verzweifelt hin und her, bis ich einsehen musste, dass es sinnlos war, noch länger zu suchen, und so machte ich mich allein auf den Rückweg. Amandus wird mir den Kopf abreißen und Reger meine Gedärme an die Hunde verfüttern, dachte ich.
    Die Straßen waren voller Verletzter, Sanitäter eilten hin und her, um sie zu versorgen. Mehrmals hielten mich schwerbewaffnete Soldaten an, doch als sie sahen, dass ich das Abzeichen des Kanzlers trug, ließen sie mich durch.
    Amandus’ Haus war hell erleuchtet. Bereits im Eingang kam mir Wolf entgegen. »Wo steckst du denn?«, rief er.
    Statt einer Antwort gestand ich, Leela verloren zu haben. Er sah mich ausdruckslos an. »Sie ist hier«, sagte er. »Schon seit einer Stunde. Sie hat gesagt, dass sie und ihre Freundinnen euch abgehängt haben und dass es nicht eure Schuld war.«
    »Das hat sie erzählt?«, fragte ich.
    Er nickte. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Kjell. In ein paar Minuten wäre ich aufgebrochen, um nach dir zu suchen. Die Kameraden sind alle wieder hier. Nur du hast noch gefehlt.«
    Er schlug mir auf die Schulter. »Lass dir in der Küche etwas Bier und einen Muschnik geben und dann geh schlafen.«
    Gerade als ich in der Küche saß, an meinem Muschnik knabberte und darüber nachdachte, warum Leela uns in Schutz genommen hatte, kam Donard hereingestürmt. Sein hochrotes Gesicht, umrahmt von dem aufgetürmten Goldhaar, sah aus, als würde es in Flammen stehen. Er trug ein wallendes Gewand und Schuhe mit langen Spitzen, die sich nach oben bogen. Seine kleinen Mäuseäuglein blitzten kampfeslustig. »Wie kannst du es wagen?«, zischte er mich an.
    Ich biss seelenruhig von meinem Muschnik ab und ignorierte ihn.
    »Dass du dich hierhertraust, nachdem du Leela feige im Stich gelassen hast. Sie wäre fast von dem Pöbel getötet worden«, schrie er mit schriller Stimme.
    »Angeblich soll das Banane und Feige sein«, sagte ich nachdenklich und hielt ihm die Verpackung des Muschniks hin. Donard stutzte. Eine Kampftechnik, um den Gegner zu verwirren. »Was?«, stotterte Donard.
    »Schon mal probiert?«, fragte ich kauend.
    »Probiert?«, wiederholte Donard, als wäre das Wort fremd für ihn. Er schüttelte sich, als würde er gerade aufwachen.
    Ich sah ihm in die Augen, und jetzt fiel ihm auf, dass außer uns beiden niemand in der Küche war. Er trat nervös einen Schritt zurück. Ich zog mein Messer und stand langsam auf.
    Donard wurde blass und wich zurück. »Das wagst du nicht«, drohte er mit zittriger Stimme. »Du weißt doch, wer ich bin?«
    Ich ging langsam auf ihn zu. Er stand jetzt mit dem Rücken zur Wand.
    »Zurück!«, rief er und hob abwehrend beide Hände, als könnte er mich dadurch aufhalten. Als ich seinem Befehl nicht folgte, griff er nach einem kleinen Kessel, der auf dem Herd stand, und schwang ihn drohend über seinem Kopf. Dummerweise war der Kessel voller Soße, die jetzt wie ein Wasserfall auf Donard prasselte. Er sah mich erschrocken an, während ihm die braune Flüssigkeit aus den Haaren und über die Wangen lief und von seiner Nasenspitze und seinem Kinn tropfte.
    Ich steckte das Messer weg und ging, ohne ihn weiter zu beachten. »Das hat ein Nachspiel«, hörte ich seine weinerliche Stimme hinter mir.

13
    Am nächsten Morgen saß ich gerade beim Frühstück – matschige Kartoffeln mit einer grünen Pampe –, als Reger hereingestürmt kam, mich an den Haaren hochriss und mir einen Schlag in den Magen verpasste. Er kam ganz nah an mich heran, und ich sah deutlich seine zerbrochenen Zähne, die wie Glassplitter im Zahnfleisch steckten. »Du weißt,

Weitere Kostenlose Bücher