Das Ende der Welt (German Edition)
und lief mit zugehaltener Nase an mir vorbei. »Es hat ja nicht lange gedauert, bis du dich an die anderen Wachen angepasst hast.«
Ich drohte der Tür, hinter der sie verschwunden war, mit der Faust und versuchte an etwas anderes zu denken, was mir schwerfiel. Dieses Mädchen reizte mich bis aufs Blut.
In den nächsten Tagen war sie etwas freundlicher, sprach jedoch nur das Nötigste mit mir. Hin und wieder begleitete ich sie zu Einkäufen, die ich hinterher nach Hause tragen durfte.
Nach zwei Wochen Dienst in Amandus’ Haus und nachdem ich befürchtet hatte, man hätte mich vergessen, bekam ich Besuch von Sönn. Er war in Begleitung von Prüm, der wie ein Hund hinter ihm hertrottete.
»Lass uns ein paar Meter gehen«, sagte Sönn zu mir.
Während Prüm beim Wagen wartete, gingen Sönn und ich hinter dem Haus auf und ab. Aus dem Kanal stank es erbärmlich. Etwas Totes trieb vorbei.
»Wie gefällt dir der Dienst?«, wollte Sönn wissen.
»Gut!«, log ich.
Er sah mich prüfend an und lachte leise. Ich konnte nichts vor ihm verbergen.
»Ich brauche deine Hilfe, Kjell«, sagte er leise.
»Wir alle brauchen deine Hilfe. Unser Land ist in Gefahr.«
Er machte eine Pause.
»Amandus will uns an unsere Feinde verkaufen«, sagte Sönn langsam.
Mir war, als hätte ich einen Schlag in den Magen bekommen.
»Unsere Agenten haben uns berichtet, dass er Unterhändler verschiedener Länder trifft. In den nächsten Tagen sollen sich in Amandus’ Haus Abgesandte versammeln, um die Einzelheiten für einen Frieden zu besprechen.« Das Wort »Frieden« hatte Sönn ausgespuckt wie einen Käfer, der ihm in den Mund gekrabbelt war.
»Weißt du, was das bedeutet?«
Ich sah ihn verdattert an.
»Unseren Feinden wird die Tür geöffnet. Sie werden unsere Gutgläubigkeit ausnutzen und wie Raubtiere über uns herfallen. Cato versucht das zu vermeiden. Nur deshalb hat er sich in den Senat wählen lassen. Er will gegen diese gefährlichen Tendenzen angehen. Außerdem denken einige Senatsbürger genau wie wir, doch sie sind noch zu schwach gegen Amandus. Sie brauchen Cato, jemanden, der die Wahrheit ausspricht.«
Ich nickte mechanisch. Mein Kopf war leergespült, nur ein leises Rauschen war wie ein Echo zurückgeblieben. Ich konnte es nicht glauben. Amandus fiel uns in den Rücken! Das hatte ich ihm nicht zugetraut. Er war freundlich zu mir, wenn wir uns im Haus begegneten, und meine Achtung vor ihm war im Lauf der Tage gewachsen. Umso enttäuschter war ich nun, da ich wusste, dass er ein doppeltes Spiel spielte.
»Du musst die Augen offenhalten und herausfinden, wann dieses Treffen stattfindet.« Sönn sah mich eindringlich an. »Ich verlange von dir nicht, entgegen deiner Überzeugung zu handeln, aber du bist ein Schwarzer Jäger und der Ehre und Treue verpflichtet«, beschwor er mich.
Mir lief ein Schauder über den Rücken. So hatte er noch nie zu mir gesprochen. Von gleich zu gleich.
»Leider leben wir in einer Zeit, in der Freund und Feind schwer auseinanderzuhalten sind. Und gerade deshalb ist es wichtig, dass du auf der richtigen Seite stehst.«
»Ja«, sagte ich und spürte diesen Strom, in dem wir lebten und der uns beide verband und uns vorwärtstrug.
Sönn lächelte.
»Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann. Wenn du etwas rausfindest, darfst du es dir nicht anmerken lassen und musst zu mir kommen, sobald du unauffällig wegkannst. Wichtig ist, dass du nicht auffällst und mit niemandem darüber sprichst. Auch mit Wolf nicht.«
Ich versprach es ihm. Sönn konnte sich auf mich verlassen, und das wusste er. Er nickte zufrieden und ging wortlos zum Jeep. Prüm fixierte mich. Seine boshaft glitzernden Augen konnte ich sogar aus der Entfernung erkennen. Mein armer Bruder, dachte ich. Zu dumm, dass du nur ein roher Klotz bist und Sönn dich niemals mit so einer Aufgabe betrauen wird.
Als ich wieder auf meinem Posten saß, dachte ich über Amandus nach. Seine Freundlichkeit war also nur Fassade. Er war eine Krämerseele wie alle anderen Senatsbürger. Ich werde eure Pläne durchkreuzen, dachte ich und war voller Stolz, dass Sönn mich dafür ausgesucht hatte. Ich würde ihn nicht enttäuschen.
Ein Poltern auf der Treppe unterbrach meine Gedanken. Ein Mann, der mit hochrotem Gesicht zwei Stufen auf einmal nahm, kam heraufgestürmt. Es war Donard. Als er mich sah, stutzte er, ging jedoch unbeirrt auf Leelas Tür zu. Ich erhob mich und versperrte ihm den Weg.
»Lass mich vorbei, Kadett!«, sagte er und funkelte mich
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