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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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ich sie auf.
    Widerwillig biss sie hinein und kaute mit strahlendem Gesicht, wobei sie mir die Geschichte von der Schlange, der Frau und dem Apfel erzählte. Die Schlange hatte die Frau überredet, den Apfel zu essen. Das war verboten in dem Land. Daraufhin waren der Frau überall Haare gewachsen, sogar aus der Nase. Ihr Mann hatte sich daraufhin eine neue Frau genommen.
    Leela grinste. »Das ist eine alte Legende. Wahrscheinlich ist sie nach der Großen Katastrophe entstanden, als alles vergiftet war und man von Früchten krank wurde.«
    Wir hockten uns auf eine Mauer, aßen unsere Äpfel und sahen dem Treiben auf der Straße zu. Für einen Moment fragte ich mich, ob Cato nicht doch eine bessere Zeit für alle brachte, eine friedlichere, mit weniger Krieg und weniger Gewalt. Doch dann fiel mir ein, wie hinterhältig er war. Zwei Autos, die sich hupend ihren Weg durch das Gedränge bahnten, rissen mich aus meinen Gedanken. Ich sah ihnen nach, bis sie verschwunden waren und nur noch ein schwacher Benzingeruch in der Luft lag. Auf der anderen Straßenseite hockte eine erschöpfte Flüchtlingsfamilie auf ihren Lumpen und teilte sich einen Kanten Brot. Das Kind, ein etwa achtjähriger Junge, starrte gebannt auf meinen Apfel, worauf ich ihm den Rest schenkte. Der Junge konnte sein Glück kaum fassen und hielt den Apfel mit beiden Händen fest, als könnte er davonfliegen. Erst als der Vater ihm aufmunternd zugenickt hatte, biss der Junge hinein und kaute hastig. Als nichts mehr übrig war, aß er sogar den Stiel auf. Leela und ich sahen ihm zu, wie er sich die Finger sauberleckte, als plötzlich drei Ordner auftauchten und die Familie wegscheuchten. Leela und ich machten, dass wir wegkamen, bevor sie auf uns aufmerksam wurden.
    Trotz der Sauberkeit, der Vitamine am Stadttor, der gestrichenen Häuser verspürte ich ein kaum zu fassendes Gefühl, als sei alles nur Kulisse, als schwebe über alldem etwas Dunkles, Bedrohliches, das jederzeit herabstoßen und uns zerquetschen könnte. Ein Lautsprecherwagen fuhr an uns vorbei und verkündete mit ohrenbetäubendem Lärm, dass die Mobilmachung bevorstehe. Der Feind stehe bereits vor den Grenzen. Leela und ich sahen uns verwundert an. Kleinere Grenzstreitigkeiten hatte es immer gegeben, aber lange Zeit keinen großen Krieg.
    Menschen blieben stehen und sahen dem Wagen nach.
    Doch in Sekundenschnelle waren die allgegenwärtigen Ordner da und jagten alle auseinander.
    Vor dem Bahnhof stand ein Reiterstandbild, vor dem ein Käfig aufgebaut war, in den drei Männer und zwei Frauen eingesperrt waren. Sie hatten ihre Finger in die Maschen gekrallt und sahen ängstlich die Vorbeigehenden an. Ein Schild, Säubert die Straßen von Schmarotzern! , hing am Käfig.
    Leela und ich blieben stehen. Neben uns sagte eine Frau leise zu ihrer Begleiterin: »Wenn die so weitermachen, sind bald alle eingesperrt, dann ist die Stadt leer.«
    »Dann sind sie endlich unter sich«, sagte die andere.
    »Hier haben sich früher die Liebenden getroffen, und jetzt so etwas. Eine Schande ist das«, hörte ich Erstere sagen, bevor die Frauen in der Menge verschwanden.
    Leela und ich fühlten uns in Hannover nicht sicher und beschlossen, zu verschwinden.
    Auf dem Rückweg gerieten wir in eine Kontrolle. Soldaten hatten die Straße mit Eisengittern in zwei Hälften getrennt und nur ein winziges Stück in der Mitte offen gelassen, durch das sich nun alle zwängten, wobei sie ihre Papiere vorzeigen mussten. Leela und ich hielten mehrere Meter Abstand voneinander, damit sie uns nicht miteinander in Verbindung bringen konnten.
    »Razzia«, sagte ein Mann vor mir, den ich nach dem Grund der Kontrolle gefragt hatte. »Sie suchen Illegale. Das machen sie regelmäßig.«
    Die Posten an dieser Schleuse waren Kinder in graublauen Uniformen, von denen kaum eines älter als zwölf war. Das jüngste war vielleicht acht Jahre alt. War das Gedränge zu groß, schlugen die Kinder blindlings mit ihren Knüppeln in die Menge. Die Wartenden duckten sich unter den Schlägen weg, doch in der Enge war es kaum möglich, ihnen zu entkommen, und so prasselten die Hiebe auf Köpfe und Rücken. Ein Mann, der sich darüber beschwerte, wurde von den Kinderordnern rausgezogen. »Zeig deine Papiere!«, schrien sie ihn an.
    Als der Mann mit zitternden Fingern seinen Ausweis rausgeholt hatte, zerriss ihn einer der Jungen und ließ die Schnipsel auf den Asphalt regnen.
    Der Mann beschwerte sich, und das Kind rief: »Halt die Schnauze!«
    Zwei

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