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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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Stadt. »Das schöne Kleid«, sagte Leela. Ich nickte. Am meisten schmerzte mich der Verlust meines Messers.
    Soldaten brachten uns in einen überfüllten Raum, in dem es nach Schweiß roch. An den Wänden hingen Schilder, die einen davor warnten, sich auf den Boden zu setzen. Wer es trotzdem wagte, wurde von den Soldaten hochgescheucht. Kleine Kinder schliefen erschöpft auf den Armen ihrer Eltern. Eine Frau riss dem vor ihr stehenden Kind ein vertrocknetes Froschbein aus der Hand und schluckte es gierig und ohne zu kauen runter. Der Vater des Kindes schlug der Diebin die Faust ins Gesicht, worauf ihr das Blut aus der Nase schoss. Soldaten stürmten herein und nahmen alle Beteiligten mit.
    Spät am Nachmittag kamen wir endlich an die Reihe. Ein Soldat führte uns in einen Raum, in dem eine Frau saß, die Papiere stempelte und uns kaum beachtete. Wir bekamen einen Erlaubnisschein und durften weiter. Im nächsten Zimmer warteten Männer, Frauen und Kinder nackt auf einer Bank. Leela und ich mussten uns ebenfalls ausziehen, wobei ich versuchte, sie nicht anzuschauen. Ärzte ruckelten an unseren Zähnen und leuchteten uns in Augen und Ohren. Wir wurden entlaust und geduscht. Anschließend bekamen wir statt unserer Kleider einen grauen Overall. Dazu vorläufige Papiere mit dem begehrten NA-Stempel, was für Nicht Ansteckend stand.
    Dann mussten wir mit anderen Ankömmlingen im zugigen Innenhof des Gebäudes warten. Ringsumher waren leerstehende Geschäfte, in deren Schaufenstern wir uns spiegelten. Lauter graue Schatten, wie eine Geisterarmee, dachte ich.
    Nach einer Ewigkeit tauchte ein Offizier auf, ein dicklicher Kerl mit einem blonden Schnauzbart, der uns anbrüllte: »Was seid ihr bloß für ein trauriger Anblick? Ich fürchte, wir werden euch entlausen, waschen und neu einkleiden müssen, damit sich die Hannoveraner nicht vor euch fürchten. Ihr werdet die Nacht hier verbringen und morgen früh lassen wir euch auf die Stadt los. Und wer sich nicht wie ein Mensch benimmt, der wird standrechtlich erschossen.« Er lachte böse und zwinkerte seinen Kameraden zu. Wir wurden auf die Läden verteilt, wo wir uns auf die von der Feuchtigkeit gewellten Plastikböden legten.
    In der Nacht wurde ich wach, weil jemand versuchte, meine Decke zu klauen. Ich trat zu, traf etwas Weiches und hörte einen unterdrückten Schmerzensschrei. Danach schlief ich nur wenig. In der Ferne krachten Maschinengewehrschüsse.
    Bei Tagesanbruch weckten uns die Soldaten. Wer nicht schnell genug auf den Beinen war, wurde mit dem Knüppel geschlagen. Wir bekamen jeder einen schimmligen Kanten Brot und einen Muschnik, anschließend brachten uns die Soldaten zum Ausgang, wo der dickliche Offizier eine Rede hielt: »Cato hat uns die neue Zeit gebracht.« Zustimmendes Gemurmel hinter uns. »Und ich hoffe«, fuhr er fort, »dass ihr euch ihrer würdig erweist. Wer also in Hannover seine Geschäfte zu besorgen hat, der möge das tun. Wer aber als Flüchtling kommt und hierbleiben will, der sei willkommen, diese Stadt zusammen mit uns aufzubauen und in die neue Zeit zu führen. Die Senatsbürger haben unser Land runtergewirtschaftet und uns in Schande leben lassen. Sie haben uns ausgesaugt und unterdrückt. Dank Cato haben wir unsere Ehre wieder.«
    Leela knirschte mit den Zähnen.
    »Ich warne euch«, der Offizier hob mahnend den Zeigefinger, »wer hierhergekommen ist, um Unfrieden zu stiften, wird unsere ganze Härte zu spüren bekommen. Wir dulden keine Abweichler, keine Zersetzer, keine Schmarotzer. Für Saboteure und Terroristen gibt es keine Gnade.«
    Dann waren wir entlassen und durften Hannover betreten. Kaum standen wir auf der Straße, stürzten ein paar Zefs auf uns zu und redeten auf uns ein: »He, sucht ihr Arbeit?«, »Ich habe ein Zimmer für euch«, »Ich brauche einen Maurer«, »Ich kann euch gute Papiere besorgen, mit denen kommt ihr garantiert durch jede Kontrolle.«
    Leela und ich gingen schnell weiter. Von einem riesigen Plakat glotzte uns Cato entgegen. Darüber stand: Vorwärts in die neue Zeit. Unter dem Plakat hatten Krankenschwestern einen Tisch aufgebaut und verteilten ein Getränk an die Neuankömmlinge. »Willkommen«, sagte eine und hielt uns zwei Becher hin. Ich kostete vorsichtig. »Na, na, na, das sind Vitamine«, sagte sie mit gespielter Empörung. »Denkst du denn, Cato will dich vergiften? Er sorgt sich um seine Volksbürger. Er will, dass alle gesund sind und an unserem Staat mitarbeiten«, flötete die andere.
    Wir

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