Das Ende der Welt (German Edition)
Soldaten waren dazugekommen und sahen den Mann böse an, der mit gesenktem Kopf dastand und alles über sich ergehen ließ. »Aufheben«, befahl der Junge und zeigte auf die Papierschnipsel, die der Wind auf der Straße verteilt hatte. Der Mann sah ungläubig den Soldaten an.
»Los, aufheben!«, schrie der Junge wieder. Einer der Soldaten nestelte an seinem Pistolenhalfter. Hastig bückte sich der Mann und sammelte die Papierstücke ein. Das Kind und die Soldaten lachten. Der Junge trat dem Mann in den Hintern und befahl ihm, schneller zu sammeln. Als er fertig war, richtete er sich auf und sah die Soldaten fragend an.
»Aufessen!«, befahl der Junge. Der Mann stopfte sich die Fetzen in den Mund und kaute würgend. Als er den Papierbrei runtergeschluckt hatte, stand er mit gesenktem Kopf da, während ihm die Tränen über das Gesicht liefen. Dann ließen sie ihn gehen.
Ich sah mich nach Leela um, sie war bereits durch die Kontrolle gekommen und wartete unauffällig auf der anderen Seite. Als ich endlich an der Reihe war, zeigte ich dem Kindersoldaten meine Papiere. Der Junge studierte sie aufmerksam. »Woher kommst du?«, fragte er barsch.
»Steht alles drauf«, antwortete ich.
»Werd bloß nicht frech.« Er zeigte auf die Soldaten. »Ein Wink von mir, und sie nehmen dich mit.«
Trotz des kühlen Regens wurde mir heiß. Der Junge sah mich misstrauisch an. »Taschen ausleeren«, befahl er.
Ich kramte alles raus, darunter auch das zerknüllte Fahndungsplakat. Ich hatte vergessen, es wegzuwerfen.
Während der Junge es langsam entfaltete, nahm sein Gesicht immer bösartigere Züge an. Er sah aus wie ein gehässiger Kobold.
»Warum trägst du das mit dir rum?«
»Ich habe es gefunden. Jemand hat es abgerissen und das wollte ich melden«, versuchte ich mich an einer Erklärung.
Der Junge betrachtete abwechselnd das Bild und mein Gesicht. »Es scheint da eine gewisse Ähnlichkeit zu geben. Vielleicht sollte ich mal …«, knurrte er.
Bevor er seinen Satz zu Ende sprechen konnte, hatte ich ihn weggeschubst und war in der Menge untergetaucht.
Hände versuchten mich festzuhalten, doch ich schüttelte sie ab, verteilte Schläge und rannte quer über die Straße, während hinter mir Schüsse loskrachten. Ich lief in eine Gasse.
Als ich mich einmal umdrehte, sah ich sie hinter mir: Mindestens ein Dutzend Kinder waren mir auf den Fersen. Ich flüchtete den Uferweg an einem stinkenden Fluss entlang, hastete an einem altertümlich aussehenden Turm vorbei, balancierte über eine teilweise eingestürzte Brücke und rannte auf der anderen Uferseite weiter. Während einige Kinder mühsam über die Brücke kletterten, verfolgten mich andere auf dem gegenüberliegenden Ufer. Vor mir war eine Gruppe Arbeiter in Schutzkleidung damit beschäftigt, mit langen Stangen tote Vögel von dem Schlammteppich zu fischen, der auf der Flussoberfläche wogte. Als einer von ihnen versuchte, mich mit seiner Stange aufzuhalten, schubste ich ihn in die stinkende Brühe.
Die Kinder waren langsamer als ich, und so hatte ich bald einen Vorsprung. Rechts von mir erstreckten sich sumpfige Wiesen, dort gab es kein Versteck. Ich musste zurück auf die andere Uferseite und in der Stadt untertauchen. Das hieß, dass ich vor meinen Verfolgern, von denen zwei auf der anderen Seite mit mir Schritt hielten, über der Brücke sein musste, die vor mir auftauchte. Ich rannte schneller und hatte das Gefühl, meine Lunge würde jeden Moment platzen. Die Jungs erhöhten ebenfalls ihr Tempo. Fast hätte ich es geschafft, als mich einer von ihnen von der Seite ansprang. Wir kugelten, ineinander verknäult, über den Asphalt. Der Junge trat und kratzte, wobei er mir eine blutende Furche im Gesicht zufügte. Ich schlug auf ihn ein und rappelte mich hoch. Inzwischen hatte uns auch der andere erreicht und sprang mit ausgestrecktem Bein auf mich zu. Ich wich aus, der Junge klatschte aufschreiend gegen die Brüstung und verlor das Bewusstsein. Ich sah mich gehetzt um, meine Verfolger waren erschreckend nah.
Sie hielten eisengespickte Knüppel in den Händen. Ich rannte die Straße hoch, die eine Biegung nach rechts machte, und landete an einer Ecke, die …armarschstraße hieß. Gegenüber lag ein flacher Bau mit eingeworfenen Scheiben, in den ich flüchtete in der Hoffnung, dort ein Versteck finden zu können. Doch es war aussichtslos. Das große Gebäude war komplett leer. Ich lief durch die Hintertür über einen Platz. Hinter mir hörte ich die Kinder durch die
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