Das Ende der Welt (German Edition)
bedankten uns und zogen weiter. Immer wieder stießen wir auf Plakate mit Catos Konterfei. Mal war er in Sportkleidung zu sehen, ein andermal hatte er ein Kleinkind auf dem Arm oder er schaufelte mit Arbeitern an einem Damm.
»Verdammt, was soll das?«, knirschte ich.
»Er inszeniert sich«, sagte Leela.
»Er macht was?«, fragte ich.
»Er zeigt ihnen, dass er einer von ihnen ist, ein Mann aus dem Volk.«
»Er will ein Zef sein?«, fragte ich kopfschüttelnd.
Andere Plakate warnten vor Spionen, vor Terroristen oder vor Saboteuren.
Auf Bannern, die zwischen zwei Masten aufgehängt waren, stand: Die neue Zeit , jetzt! , oder einfach nur: Cato für das Volk!
Immer wieder Cato. Sein Blick verfolgte uns durch die ganze Stadt. Dann entdeckte ich mein Gesicht auf einem Plakat. Zuerst war ich mir nicht sicher, denn ich hatte einen stechenden Blick, und meine Augen standen viel näher beieinander. Es sah fast so aus, als hätten sie Burgers und mein Foto vermischt. Außerdem guckte ich so böse, als würde ich jeden Moment vom Plakat runterspringen wollen, um jemanden aufzufressen.
»Was haben die mit mir gemacht?«, fragte ich fassungslos.
»Du siehst richtig gemein aus«, sagte Leela. Sie lachte. »Sie haben dich durchschaut.«
Unter meinem Bild stand in giftgrüner Schrift: Gesucht wegen Terrorismus und Sabotage. Trägt eine Waffe und macht hemmungslos davon Gebrauch. Ohne Warnung zu erschießen!
Leela wurde auch erwähnt. Sie hatten sie sogar befördert. Von meiner Geisel zu meiner Komplizin.
»Sind die verrückt?«, ächzte sie. »Das können die doch nicht machen.«
Ich lachte leise. »Dich haben sie auch durchschaut.«
Gerade als ich das Plakat abgerissen hatte, bog ein Uniformierter um die Ecke, und so steckte ich den Fetzen rasch ein.
»Vergiss nicht, es nachher wegzuwerfen«, flüsterte Leela mir zu.
Als wir weiterzogen, fiel mir auf, wie sehr sich die Stadt verändert hatte. Der Schutt war weggeräumt, die Straßen ausgebessert und gefegt, viele Häuser neu aufgebaut und gestrichen. Und alle Menschen waren in Bewegung. Einer schleppte Kisten, ein anderer strich eine Wand, an einem offenen Fenster stand ein Mann und spielte Geige. Eine Frau verkaufte Rübenmarmelade und ließ uns sogar kosten. Und immer wieder trafen wir auf Leute mit Armbinden, was sie als eine Art Ordner auswies. Darunter waren auch Frauen und Krüppel, die uns misstrauisch ansahen.
»Wie frostig die Leute hier gucken«, sagte Leela und umklammerte meinen Arm.
»Das ist eines der ersten Dinge, die man beim Miliär lernt«, sagte ich.
»Böse zu gucken?«, fragte Leela.
»Zu vereisen«, antwortete ich. »Kein Gefühl, kein Mitleid, keine Schwäche zu zeigen.«
Leela schüttelte sich.
Vor einem Lebensmittelladen blieben wir stehen und beäugten gierig die verschrumpelten Äpfel im Schaufenster. Der Verkäufer, ein Mann mit straff zurückgekämmten Haaren, genau wie Cato, trat vor die Tür und beobachtete uns mit strenger Miene. Leela lächelte ihn an, da lächelte er zurück.
»Jetzt jung sein«, sagte der Mann begeistert. »Ihr wisst gar nicht, wie gut ihr es habt.« Er machte mit dem Arm eine ausholende Geste. »Ihr seid an etwas Großem beteiligt.«
Wir nickten enthusiastisch, als würden wir jeden Moment losstürmen, um was auch immer aufzubauen.
»Cato sei Dank!«, sagte Leela.
Der Mann nickte. »Ja, unser Cato weiß, wie es läuft. Er hat es den blutsaugerischen Senatsbürgern gezeigt. Gut, dass er Amandus abgesetzt hat. Ich hoffe, er macht ihn einen Kopf kürzer, diesen Verbrecher.«
Leela lief rot an. Ich schob sie rasch weiter, bevor sie etwas Unüberlegtes sagen konnte.
»Wartet mal«, rief der Mann hinter uns her, doch ehe wir weglaufen konnten, lag auch schon seine schwere Hand auf meiner Schulter. Ich drehte mich um und sah in das strahlende Gesicht des Händlers, der uns zwei mickrige Äpfel entgegenhielt.
»Hier, nehmt«, sagte er. Wir bedankten uns und machten, dass wir weiterkamen. Äpfel! Ich konnte mein Glück kaum fassen. Es musste Jahre her sein, dass ich so etwas gegessen hatte. Meine Mutter hatte einmal eine vertrocknete Kirsche vom Markt mitgebracht, die vom Stand gefallen war. Wir hatten uns kaum getraut, sie zu essen. Als wir es dann doch taten, war sie unglaublich köstlich. Kaum vorstellbar, dass die Menschen früher so etwas ständig essen durften.
Leela rührte ihren Apfel nicht an. »Ich will von diesem Schwein nichts«, schimpfte sie.
»Der Apfel kann nichts dafür. Iss ihn!«, forderte
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