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Das Ende der Welt (German Edition)

Das Ende der Welt (German Edition)

Titel: Das Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Höra
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fand aber nur ein paar verrostete und stumpfe Messer. Hat diese Frau keine Pistole gehabt?, überlegte ich. Wo hatten die Leute früher ihre Waffen aufbewahrt? Kopfschüttelnd suchte ich weiter und holte ein paar Plastikdosen aus dem Schrank. In einer waren verschimmelte weiße Körner, in einer anderen war dunkelbrauner Sand. »Zeig mal«, sagte Leela, die hinter mir aufgetaucht war, und nahm mir die Dose aus der Hand, um daran zu riechen. »Das könnte Kaffee sein«, sagte sie schnüffelnd. Ich kippte den Inhalt auf den Boden. Ganz hinten im Schrank fand sich noch eine Dose, auf deren welligem Papier eine rote Frucht abgebildet war.
    »Was ist das?«, fragte Leela.
    Ich versuchte das verblasste Etikett zu entziffern. »Könnte Omate heißen«, sagte ich.
    »Vielleicht ist der Inhalt essbar«, sagte Leela.
    Ich öffnete die Dose mit meinem Messer und bog den Deckel zurück. Im inneren schwappten dicke Klumpen in einer roten Soße.
    »Bäh«, machte Leela angewidert. »Das sieht ja aus wie Blut.
    »Probier doch mal!«, schlug ich ihr vor und hielt ihr die Dose hin. Sie tunkte zögernd einen Finger hinein und leckte die Soße ab. Ich wartete ein paar Sekunden, und als Leela nicht tot umfiel, fischte ich einen der großen Klumpen heraus, um ein winziges Stückchen abzubeißen. Es schmeckte ungewohnt, also spuckte ich es lieber wieder aus.
    Leela stopfte Kleid und Buch in ihren Rucksack und zog sich noch eine Hose und eine Jacke der früheren Bewohnerin über, ehe wir die Wohnung verließen.
    Es hatte angefangen zu nieseln. In einem aufgegebenen Hospital fanden wir in einem Bett eine mumifizierte Tote mit eingegipsten Beinen. Den Mund hatte sie zu einem Grinsen verzogen, als würde sie uns auslachen. Nachdem wir nichts Brauchbares fanden, zogen wir weiter.
    Der Zugang zu Hannover war mit hohen Stahlwänden versperrt, die es früher nicht gegeben hatte. Wir liefen an den Sperren entlang, um zu sehen, ob wir irgendwo durchschlüpfen konnten, stießen aber immer wieder auf Stacheldraht, hinter dem Soldaten patrouillierten.
    »Wie kommen wir in die Stadt?«, rief Leela einem der Männer zu.
    »Bist du verrückt? Du musst sie doch nicht auf uns aufmerksam machen«, zischte ich, doch sie war nicht zu stoppen.
    »Wir sind Flüchtlinge«, rief sie.
    »Ihr müsst euch in der Einreiseverwaltung registrieren lassen«, rief der Soldat zurück.
    Wir bedankten uns und gingen in die Richtung, die er uns gezeigt hatte.
    »Das kann doch nicht wahr sein«, brummte ich, als wir weitergingen. »Musste das sein?«
    »Sonst hätten wir doch nie erfahren, wie wir in die Stadt kommen«, lachte sie.
    Ich wusste nicht, ob ich ihren Leichtsinn bewundern oder fürchten sollte.
    Hinter einem kleinen Park erhob sich riesig ein grauer Klotz aus Beton. Die Einreiseverwaltung! Eine schmale Brücke, die sich über einen schmutzig braunen Fluss spannte, führte zum Eingang. Davor warteten Flüchtlinge und Händler mit ihren Gespannen, in denen sie ihre Angestellten wie Ochsen eingeschirrt hatten.
    Die Soldaten überprüften jeden Ankömmling ganz genau. Sie sahen in jede Ritze, befühlten jede Falte, klopften auf jede Tasche, pikten mit spitzen Dornen in jeden Sack. Als einer der Händler sich beschwerte, dass ihn jede Minute, die er warten müsse, bares Geld koste, führten ihn die Soldaten ab. Mir wurde mulmig. So gewissenhaft hatte ich die Hannover’schen Wachen nicht in Erinnerung. Was, wenn sie uns erkennen?, dachte ich.
    Ich sah an dem Gebäude hoch, das bedrohlich vor uns aufragte, da bekam ich einen Stoß in den Rücken und jemand rief: »Los weiter, wir wollen hier nicht übernachten.« Ich drehte mich um. Hinter mir stand ein ausgemergelter Mann mit unruhigem Blick und einem verkniffenen Mund. »Hab’s nicht so gemeint«, murmelte er und senkte den Blick.
    Vor uns wartete eine Frau mit abgeschnittener Nase, was sie als verurteilte Rauschgifthändlerin auswies.
    Als wir endlich an der Reihe waren, erzählten wir dem Wachhabenden unsere Geschichte. Er musterte uns gelangweilt. »Wir haben schon genug Gesindel in der Stadt. Verschwindet!«
    Gerade als wir gehen wollten, rief er: »Moment mal! Habt ihr was Brauchbares in eurem Rucksack?«
    Er zerrte ihn mir vom Rücken, wühlte darin herum, zog das geblümte Kleid heraus und sagte: »Das könnte meiner Frau passen.« Dann entdeckte er das Messer an meinem Gürtel. »Zeig mal her«, befahl er mir. Widerwillig gab ich es ihm. »Das ist konfisziert, und alles andere auch.«
    Dann durften wir in die

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