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Das Ende der Welt

Das Ende der Welt

Titel: Das Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Gran
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sich um einen russischen Laden. Sam wusste, wo die Klingel versteckt war, das Passwort kannte er auch, und wir wurden reingelassen. Die Musik war unfassbar schlecht. Die älteren Russen hatten blondiertes Haar und Goldkettchen, die jüngeren Tätowierungen und Chucks. Sam kaufte einem etwa fünfzigjährigen Russen Kokain ab. Der Mann lud uns ins Hinterzimmer ein, und ich fragte mich, ob jeder Laden der Welt ein Hinterzimmer hatte. Vielleicht gab es Hinterzimmer im alten Griechenland und in Papua-Neuguinea, und alle waren durch ein riesiges, verstaubtes Labyrinth miteinander verbunden, wo sich lichtscheue Wesen wie wir zwischen Kokain und Selbsthass versteckten.
    Das Hinterzimmer des Russenclubs war überraschend sauber, und alles war russisch. Der Russe öffnete eine Flasche Tequila und reichte sie herum. Offenbar war sein Koksvorrat unbegrenzt, wie bei einem Zauberer, der ein Kaninchen nach dem nächsten aus der Tasche zog, auch wenn dort eigentlich längst keine mehr sein konnten. Die Sonne ging auf und bohrte sich an manchen Stellen durch die geschlossenen Vorhänge, was mich ärgerte. Hatte sie ein Recht dazu? Für wen hielt sie sich? Ich merkte, dass Sam ähnlich fühlte, und nach weiteren Minuten oder Stunden des stillen Zorns sagte er: »Komm, ich weiß was Besseres.«
    Wir stiegen in mein Auto, Tabitha, Sam und ich und ein Typ und eine Frau. Sam fuhr für eine Weile im Kreis herum und verlor die Orientierung. Tabithas Anweisungen waren schnell und energisch, ein Wort folgte aufs nächste wie Steine, die einen Abhang hinunterrollen. Der Typ und die Frau kauten auf Kaffeerührstäbchen herum und schwiegen, bis die Frau irgendwann fragte: »Willst du?« Ich lehnte ab. Gott sei Dank gab es getönte Scheiben, Sonnenbrillen und meine Jacke, die ich mir übers Gesicht zog, als der Nebel sich auflöste und die Sonne herunterknallte. Meine Nerven lagen blank, so als hätte jemand die Verkleidung von den Nervenbahnen abgerissen und weggeworfen.
    Irgendwann hatte Sam etwas Besseres gefunden, ein Apartment in Castro. Mir war nicht klar, ob es sich um einen richtigen Club mit Eintrittsgeld handelte oder um eine Privatwohnung. Aber da waren wir nun. Ich fand mich an einem Glastisch wieder, am obligatorischen Glastisch, zusammen mit drei Stripperinnen, sehr jung und mit Glitzer-Make-up und den denkbar höchsten High Heels, die sich mit mir unterhalten wollen. Aber über das Reden war ich schon seit Stunden hinaus. Die Mädchen kamen und gingen und wurden irgendwann von drei Typen Anfang fünfzig ersetzt, vormals schönen Männern, die nun vor die Hunde gingen. Auch sie hatten jede Kommunikation eingestellt. Wir konsumierten und konsumierten und taten nicht einmal mehr so, als mache es Spaß. Keiner tat so, als fände er es auch nur annähernd lustig.
    Irgendwann beschlich mich ein seltsames Gefühl. Tabitha sah mich und sagte: »Du siehst nicht gut aus. Ich bringe dich jetzt nach draußen an die frische Luft.«
    Ich wollte aufstehen und fiel hin. Ich hatte meinen Namen vergessen und wusste nicht mehr, wo ich war. Hatte ich es je gewusst? Jemand sagte: »Claire!« Vielleicht kannte ich sie, vielleicht auch nicht.
    Jemand brachte mich zu einem Bett in einem Zimmer in einem versteckten Trakt des Apartments. Ich legte mich hin und alles wurde schwarz. Ich fing am ganzen Leib zu zittern an, und alle fragten nach Claire, wer immer die war.
    »Sie hat einen Krampfanfall«, sagte einer, »du musst den Notarzt rufen, sie …«
    »Nein, auf keinen Fall, keinen Notarzt! Schaff die verrückte Schlampe hier raus, sofort! Im Ernst, wenn du einen Krankenwagen rufst, schlage ich dich grün und …«
    Jemand half mir auf. Tabitha brachte mich nach draußen. Die Sonne war wieder untergegangen. Es war fast dunkel. Später erzählte sie mir, ich hätte die Augen verdreht und den Mund aufgerissen und mir an die Kehle gefasst, wie um etwas zu sagen, aber kein Ton sei herausgekommen. Meine Knie gaben nach. Tabitha setzte mich auf den Boden und lehnte mich gegen eine Hauswand. Sie blieb bei mir, bis der Anfall vorüber war, dann lief sie ins nächste Deli und kaufte Orangensaft, den sie mir einflößte. Ich schluckte und kam zu mir.
    »Warte hier«, sagte Tabitha, »warte kurz, mein Schatz. Ich hole Hilfe. Okay? Rühr dich nicht von der Stelle, okay?«
    Ich saß in der Castro Street. Niemand bemerkte mich. Mein Name fiel mir wieder ein. Ich trank den Orangensaft, und der Zucker holte mich auf die Erde zurück.
    Ich stand auf. Stehen klappte ganz

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