Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
der Herbert Hoovers.
Wir haben ein unkontrolliertes Ausufern der Krise zwar unendlich effektiver verhindert, doch auch wir streben unvereinbare
Ziele an. Wir können nicht alle retten, die vor der Krise falsche Entscheidungen getroffen haben, und gleichzeitig unserer
kapitalistischen Wirtschaft zur alten Stärke zurückverhelfen. Das ist eine unbequeme Wahrheit, der wir in unserem hektischen
Eifer, alle und jeden vor den Auswirkungen der Krise zu bewahren, nicht ins Auge gesehen haben.
Auch das wachsende Problem des verantwortungslosen Risikoverhaltens wird dieser undifferenzierte Ansatz nicht lösen. In den
letzten Jahrzehnten haben Zentralbanker energisch versucht, potenzielle Krisen einzudämmen. Der Erste war Alan Greenspan,
der nach dem Börsencrash des Jahres 1987, in der Spar- und Darlehenskrise und nach dem 11. September 2001 auf den Märkten
intervenierte. Diese Strategie wurde als »Greenspan-Put« (oder »Bernanke-Put«) zum festen Begriff und bringt die Überzeugung
zum Ausdruck, dass die Notenbank das Finanzsystem nie im Stich lassen wird. In der jüngsten Krise wurde diese Überzeugung
mehr als einmal auf die Probe gestellt – am augenfälligsten mit der Entscheidung, Lehman Brothers untergehen zu lassen. In
den meisten Fällen hat sich der Glaube an die Allmacht der Zentralbanken und Regierungen jedoch bestätigt. Offenbar waren
die Regierungen bereit, buchstäblich alles zu tun, um das Finanzsystem zu retten.
Abgesehen davon gibt es aber auch ein paar Silberstreifen am Horizont. So waren viele der Länder, deren Bilanzen durch das
Krisenmanagement schwer belastet wurden, im historischen Vergleich gering verschuldet und konnten Mittel zum Krisenmanagement
bereitstellen. Darüber hinaus wären die langfristigen |244| Kosten der Passivität, beispielsweise durch Steuerausfälle, Arbeitslosengelder und Sozialhilfe, vermutlich höher gewesen als
die Kosten der Konjunkturprogramme. Die jüngsten politischen Maßnahmen könnten die Haushalte vieler Länder in den kommenden
Jahren zwar belasten, doch in den meisten entwickelten Industrienationen hat die Schuldenlast den kritischen Punkt noch nicht
erreicht – selbst wenn die Frage nach der Stabilität öffentlicher Anleihen und die Furcht vor Refinanzierungskrisen oder gar
regelrechten Ausfällen die Finanzmärkte ernsthaft beunruhigt.
Das umfassende Problem der Rettungsaktionen und des Moral Hazard ist etwas komplexer. Wenn allen geholfen wird, die leichtsinnig
Kredite vergeben und aufgenommen haben, steht zu vermuten, dass sie sich künftig noch verantwortungsloser verhalten. Das wiederum
kann weitere Spekulationsblasen und Krisen auslösen. Doch wir müssen die Dinge aus der richtigen Perspektive betrachten. Wer
mitten in der Krise versucht, Fehlverhalten vorzubeugen, kann damit enorme Kollateralschäden verursachen. Das lässt sich leicht
an einem Beispiel illustrieren: Stellen Sie sich vor, der Mieter eines Wohnblocks verhält sich extrem verantwortungslos und
dumm und raucht im Bett. Seine Wohnung gerät in Brand. Sollte die Feuerwehr ausrücken und ihn retten? Kommt sie nicht, könnte
das ganze Gebäude in Flammen aufgehen. Dann trifft es nicht nur den Brandstifter, sondern unter Umständen Hunderte Unschuldige.
Das ist das eigentliche Dilemma von Zentralbanken und Regierungen in einer Krise. Hat es eine Investmentbank oder Versicherungsgesellschaft,
die die Weltwirtschaft in Brand gesetzt hat, verdient, unterzugehen? Keine Frage. Doch wenn der daraus entstehende Flächenbrand
das gesamte Finanzsystem erfasst, von den Opfern unter den ganz normalen Arbeitnehmern in aller Welt ganz zu schweigen, könnte
die erteilte Lehre im nachfolgenden Chaos einfach verloren gehen. Einige Maßnahmen waren sicher schädlich, einige Rettungsaktionen
nicht gerechtfertigt, doch die Konjunkturprogramme und Bürgschaften verhinderten, dass sich |245| der Einbruch beim privaten Konsum zu einer neuen Weltwirtschaftskrise auswuchs.
Die richtige Zeit, um sich mit dem verantwortungslosen Risikoverhalten und anderen Schwächen des Finanzsystems auseinanderzusetzen,
kommt erst, wenn die unmittelbare Krise überstanden ist. Die Möglichkeiten, die eine solche Finanzkrise bietet, dürfen nicht
ungenutzt bleiben. Sie eröffnet, wenn auch nur flüchtig, die Aussicht auf eine echte, nachhaltige Reform des globalen Finanzsystems.
So wie die Weltwirtschaftskrise die hooversche Unentschlossenheit beiseite gefegt und durch
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