Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
Für
Kreditnehmer, die Waren exportierten, war das kein Problem. Sie verkauften ihre Güter gegen Fremdwährungen und konnten ihre
Schulden bedienen. Wer jedoch auf Immobilien und Dienstleistungen im eigenen Land gesetzt hatte und nur Einnahmen in |328| heimischer Währung erzielte, für den war der Verfall der Währung eine Katastrophe. Diese Unternehmen konnten ihre Schulden
nicht mehr zahlen und standen vor dem Aus.
Das Zusammenspiel anderer Kräfte machte solche Länder besonders anfällig. Der Großteil der Auslandsinvestitionen in diese
Länder erfolgte in Form von Krediten und nicht durch Anlagen in Aktien. Bei der Eigenkapitalfinanzierung über Aktien können
in schlechten Zeiten die Gewinne und Dividenden schwinden, und wenn sich die Lage bessert, steigen sie wieder. Die Fremdkapitalfinanzierung
ist dagegen viel weniger flexibel, denn die Kredite und Anleihen müssen in guten wie in schlechten Zeiten bedient werden.
In einer Krise können solche Verpflichtungen zum Problem werden.
Besonders prekär war die Lage in vielen dieser Länder, weil sie kurzfristige Anleihen aufgenommen hatten, die regelmäßig refinanziert
werden mussten. Dadurch hatten ausländische Investoren reichlich Gelegenheit, sich aus dem Land zurückzuziehen, wenn sie Anlass
zur Besorgnis sahen. Kam es dazu, wurden die Schuldner in diesen Ländern aufgefordert, die geliehenen Summen zurückzuzahlen.
Viele konnten das nicht, weil es ihnen an liquiden Mitteln wie etwa Fremdwährungsreserven der Zentralbank mangelte oder weil
sie ihre Vermögenswerte nicht liquidieren konnten.
Die meisten Schwellenländer, die der Krise erlagen, wandten sich hilfesuchend an den Internationalen Währungsfonds. Länder
wie Russland, Argentinien und Ecuador hielt der IWF tatsächlich für insolvent und zog die Notbremse. Sie erklärten sich in
Bezug auf ihre Staatsanleihen für zahlungsunfähig. Andere Länder waren nach Ansicht des IWF nicht insolvent, sondern lediglich
nicht liquid. Sie wurden durch Kredite, Zahlungsaufschub oder Umschuldung aus der Schlinge gezogen. Trotzdem kam es natürlich
bei den privaten Anleihen zu erheblichen Ausfällen, und viele Banken und Unternehmen konnten ihre Auslandsschulden nicht mehr
bedienen.
Die Krisenserie in den Schwellenländern, die in den achtziger |329| Jahren begann und sich in den folgenden zwei Jahrzehnten fortsetzte, hinterließ bei Politikern in vielen Ländern einen unauslöschlichen
Eindruck. Sie kamen zu dem Schluss, dass ein Leistungsbilanzdefizit grundsätzlich etwas Schlechtes war. Es hatte ihre Volkswirtschaften
anfällig gemacht für den Fall, dass der Kapitalfluss aus dem Ausland – das, was Wirtschaftsexperten als »heißes Geld« bezeichnen
– aussetzte oder sich umkehrte. Sie sahen sich gezwungen, in Vorbereitung auf künftige Krisen Kriegsschatullen mit ausländischen
Währungsreserven anzulegen, die sie bei Bedarf zur Liquiditätsversorgung heranziehen konnten. Entsprechend verringerten sie
ihre Haushaltsdefizite und privaten Ausgaben und reduzierten die Kreditaufnahme im Ausland. Nachdem sie ihre Finanzen in Ordnung
gebracht hatten, erwirtschafteten diese Länder Leistungsbilanzüberschüsse. Gleichzeitig häuften sie nach und nach große Devisenreserven
an, um sich gegen künftige Krisen zu wappnen.
Für viele dieser Volkswirtschaften hatte diese Reservebildung noch einen Nebeneffekt. Ein Land mit einem Leistungsbilanzüberschuss
muss mit einer Verteuerung seiner Währung rechnen. Da exportabhängige Volkswirtschaften dadurch auf dem Weltmarkt an Wettbewerbsfähigkeit
verlieren, griffen die betroffenen Länder gezielt in den Devisenmarkt ein und kauften Fremdwährungen auf, um deren Kurse zu
stützen und die eigene Währung zu drücken. China, das Land mit dem größten Leistungsbilanzüberschuss der Welt und einer der
am stärksten unterbewerteten Währungen, beherrscht diese Doppelstrategie meisterhaft.
Dass sich die Leistungsbilanzen in asiatischen und lateinamerikanischen Schwellenländern, von wenigen Ausnahmen abgesehen,
vom Defizit zum Überschuss entwickelt haben, hat die meisten Wirtschaftsexperten überrascht. Das Gleiche gilt für den Umstand,
dass eine Reihe von Industrieländern wie Irland, Spanien, Island, Australien, Großbritannien, Neuseeland und vor allem die
Vereinigten Staaten sich von ihren Überschüssen verabschiedete und ins Defizit abglitt.
|330| Im Zuge dieser Entwicklung erinnerten diese
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