Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft
entsprechenden Kursgewinne auf dem Aktienmarkt angelockt wurde. Viele Amerikaner sparten weniger
und konsumierten mehr und vergrößerten so das Defizit weiter. Nachdem die Blase geplatzt war, hätte das Defizit eigentlich
zurückgehen müssen, doch das war nicht der Fall. Stattdessen wurde es durch die verantwortungslose Haushaltspolitik der Bush-Regierung
weiter in die Höhe getrieben.
Nach 2004 vergrößerte sich das Leistungsbilanzdefizit dank der unzureichenden Regulierung und des daraus resultierenden Immobilienbooms
weiter. Die Sparquoten fielen, und ausländische Investoren griffen gierig nach der wachsenden Flut hypothekenbesicherter Wertpapiere.
Erst nach 2007, als die Blase auf dem Häusermarkt platzte und die Haushalte wieder mehr auf die hohe Kante legten, ging das
Leistungsbilanzdefizit schließlich zurück. Ein gleichzeitiger Rückgang der Ölpreise trug ebenfalls zur Reduzierung des Defizits
bei.
Anders als in Kurosawas Film
Rashomon
gibt es im Drama um das Leistungsbilanzdefizit einen offensichtlichen Schuldigen. Um es mit dem Comic-Helden Pogo zu sagen:
»Wir kennen den Feind. Es sind die Vereinigten Staaten«.
Diese waren zwar nicht alleine verantwortlich, und der Aufbau des Leistungsbilanzdefizits wurde auch durch Faktoren wie die
überschüssigen chinesischen Spargelder und die Globalisierung |335| der Finanzmärkte ermöglicht. Doch niemand hat die Vereinigten Staaten gezwungen, sich so zu verhalten. Die Verantwortung für
den Schlamassel liegt bei ihnen und ihrer Politik, die das Leistungsbilanzdefizit im vergangenen Jahrzehnt ins Kraut schießen
ließ. Durch leichtfertige Steuergeschenke und die mangelnde Bereitschaft, den Immobilienboom zu zügeln, haben sie sich selbst
immer tiefer in die Bredouille gebracht.
Gefahren und Zwickmühlen
Wirtschaftsexperten panglossianischer Prägung haben mehrere Argumente in petto, um Bedenken wegen des Leistungsbilanzdefizits
zu zerstreuen. Sie behaupten, Schwellenländer würden dieses Defizit in absehbarer Zukunft weiterhin bereitwillig finanzieren.
Sie müssten schließlich dafür sorgen, dass ihre Währungen günstig blieben, und das erreichten sie unter anderem durch den
Kauf amerikanischer Aktien und Anleihen. Andere führen an, dass die Vereinigten Staaten über das verfügten, was der ehemalige
französische Präsident Valéry Giscard d’Estaing als das »exorbitante Privileg« der globalen Reservewährung bezeichnet hat.
Daher bleibe das Land von Währungskrisen verschont, wie sie weniger privilegierte Länder heimsuchten. Angesichts dieser Vorteile
sollten die Vereinigten Staaten in der Lage sein, ihr Leistungsbilanzdefizit noch lange auszusitzen. 7
Das ist absurd. Der gegenwärtige Zustand ist unhaltbar und gefährlich und wird ohne einschneidende Reformen ins Chaos führen.
Wenn die Vereinigten Staaten ihren Haushalt nicht in Ordnung bringen und mehr sparen, werden sie schließlich eine schmerzhafte
Rechnung erhalten. Wann das passiert, sei dahingestellt. Die Auffassung, dass es noch jahrzehntelang so weitergehen könnte,
ist aber Selbstbetrug. In Wirklichkeit gibt es bereits erste Anzeichen für eine Wende. In den neunziger Jahren wurde das Leistungsbilanzdefizit
zu einem erheblichen Teil durch ausländische |336| Investitionen in die Aktien amerikanischer Unternehmen finanziert, die auf ihrem Höhepunkt im Jahr 2000 die 300-Milliarden-Dollar-Marke
knackten. 8 Nach dem Platzen der Hightechblase brachen die ausländischen Investitionen ein. Inzwischen haben sie zwar wieder etwas zugenommen,
doch die früheren Werte haben sie nie wieder erreicht. Dennoch wuchs das Leistungsbilanzdefizit in diesem Zeitraum weiter
an, vor allem, weil Ausländer amerikanische Wertpapiere kauften. Einen Teil dieser Anleihen hatte die Regierung emittiert,
andere beruhten auf privaten Schulden.
Diese Schuldtitel wurden größtenteils von ausländischen Zentralbanken und staatlichen Investitionsfonds erworben. Effektiv
befinden sich inzwischen rund 60 Prozent der ausstehenden Schatzwechsel und Staatsanleihen in ausländischer Hand, zwei Drittel
davon im Besitz von Zentralbanken und staatlichen Investitionsfonds. 9 Es sind also nicht die privaten Investoren, die den Löwenanteil des Leistungsbilanzdefizits finanziert haben. Sie sind ja
nicht dumm. Sie wissen, dass der Dollar an Wert verlieren könnte und haben kein Interesse daran, ihr Geld aufs Spiel zu setzen.
Regierungen hingegen haben ihre
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