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Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft

Titel: Das Ende der Weltwirtschaft und ihre Zukunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nouriel Roubini , Stephen Mihm
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Vereinigten Staaten anlegen, weniger Ertrag erwirtschaften
     als Amerikaner in anderen Ländern. Schließlich haben viele neben dem Gewinn noch andere Motive, um in den Vereinigten Staaten
     zu investieren. China hat zum Beispiel Hunderte Milliarden Dollar in niedrig verzinste Staatsanleihen gesteckt, um die eigene
     Währung billig und seine Exporte bezahlbar zu halten. Außerdem haben Wirtschaftsexperten der amerikanischen Notenbank ermittelt,
     dass die von Amerikanern im Ausland realisierten Erträge in Wirklichkeit genauso hoch sind wie die von Ausländern in den Vereinigten
     Staaten erwirtschafteten. Damit wäre dieses Argument ebenfalls entkräftet.
    Ein seriöserer Erklärungsansatz für die Leistungsbilanzsituation ist die These vom weltweiten Sparüberhang. 6 Sie wird unter anderem von Ben Bernanke vertreten und sucht die Schuld für das amerikanische Leistungsbilanzdefizit bei anderen
     Ländern. Demnach bestehe das Problem nicht etwa darin, dass die Amerikaner nicht genug sparten, und schon gar nicht darin,
     dass die amerikanische Regierung riesige Defizite anhäufe. Ursache sei vielmehr, dass China und andere Länder zu viel sparten.
    Das erscheint auf den ersten Blick wenig plausibel. Doch Bernanke verweist darauf, dass viele Industrieländer in Europa in
     Erwartung einer alternden Erwerbsbevölkerung große Rücklagen bildeten. Da es im eigenen Land kaum attraktive Anlagemöglichkeiten
     gebe, investierten sie diese Gelder in den Vereinigten Staaten. Hinzu komme, dass die anspruchslosen Bürger verschiedener
     asiatischer Länder, allen voran die Chinesen, zu viel sparten und zu wenig ausgaben.
    |333| Vordergründig ist dieses Argument durchaus schlüssig. Die Sparquoten in China sind tatsächlich sehr hoch und die Ausgaben
     der Verbraucher im Verhältnis niedrig. Das liegt zum Teil an strukturellen Einschränkungen: China hat weder ein soziales Sicherheitsnetz
     noch ein solides System für Verbraucherkredite. Es ist schwer, sich das Geld zum Kauf eines Hauses zu leihen. Das ist ein
     Grund, weshalb China und andere Schwellenländer einen Sparüberhang aufgebaut haben. Hinzu kommt, dass das Geld im Zeitalter
     der finanzwirtschaftlichen Globalisierung leichter über Staatsgrenzen hinweg und in die Vereinigten Staaten fließen kann,
     weshalb sich die Leistungsbilanzdefizite hartnäckiger halten als in früheren Zeiten.
    Trotzdem ist diese Argumentation so nicht haltbar. Zum einen wird die Verantwortung für das immense Leistungsbilanzdefizit
     auf die Ausländer geschoben. Nach dieser Logik wären die amerikanischen Verbraucher vollkommen unschuldig an der Immobilienblase.
     Verantwortlich wären dann vielmehr die vielen knickerigen Chinesen und ihre Spargroschen. Das ist so, als würde man den kolumbianischen
     Drogenkartellen die Schuld für den Kokainkonsum der Amerikaner geben. Das ist zwar nicht ganz falsch, aber die Sache ist doch
     ein bisschen komplizierter.
    In Wirklichkeit spielten andere Faktoren eine weitaus größere Rolle für das zunehmende Leistungsbilanzdefizit – vor allem
     seit 2001. Dank einer Rezession und der enormen Steuersenkungen, die Präsident George W. Bush im Kongress durchdrückte, schoss
     das Haushaltsdefizit in die Höhe. Nachdem die Vereinigten Staaten ihren Haushalt in den neunziger Jahren in Ordnung gebracht
     hatten, gaben sie jede Menge Anleihen aus, die von China und anderen Schwellenländern gekauft wurden. Deren einziges Verbrechen
     bestand im Kauf dieser Papiere. Das Verbrechen der Amerikaner war hingegen ein anderes: Sie schlugen bewusst einen Kurs ein,
     der das Leistungsbilanzdefizit verschlimmerte.
    Auch die Notenbank spielte eine unrühmliche Rolle. Nach 2001 machte sie reichlich billiges Geld verfügbar und unternahm wenig |334| zur Regulierung und Überwachung des Finanzsystems. Mehr als jeder weltweite Sparüberhang trug sie damit zum Boom auf dem Häusermarkt
     bei, der wiederum auf die Sparquote drückte und verstärkte Investitionen in Eigenheime zur Folge hatte. Diese wurden zum großen
     Teil mit den Spargeldern aus anderen Ländern finanziert. Doch die Federal Reserve hatte den unhaltbaren Boom überhaupt erst
     angestoßen, der diese Mittel ins Land lockte.
    Rückblickend steht fest, dass die globalen Leistungsbilanzungleichgewichte zu unterschiedlichen Zeiten von unterschiedlichen
     Faktoren abhingen. In den neunziger Jahren stieg das amerikanische Leistungsbilanzdefizit vor allem durch Kapital, das durch
     den Hightechboom und die

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