Das Ende des Dollar-Privilegs
Eigenschaft als Wirtschafts- und Finanzminister unter Mitterrand wurde Delors als Sparsamkeitsapostel bekannt.
Jetzt schlug dieser Apostel Alarm. Er warnte, der Ausstieg aus dem Wechselkursmechanismus würde Frankreichs Ambitionen zunichte machen, den Kurs der europäischen Integration vorzugeben. Da sich Mitterrand nicht unbedingt an sozialistische Prinzipien hielt, nahm er den Rat von Delors an, kürzte die Ausgaben und unternahm gleichzeitig eine letzte Abwertung innerhalb des WKM, um die Auslandsnachfrage zu fördern.
Für diesen letzten Schritt brauchte er die Kooperation Deutschlands. Aber Deutschland zögerte. Seine Wirtschaft fing gerade erst an, wieder aus der Rezession der frühen 1980er-Jahre herauszukommen, und da wäre eine Aufwertung der D-Mark ja nicht gerade hilfreich. Damit war ganz klar Helmut Kohl am Zug, der konservative Christdemokrat, der 1982 Kanzler geworden war. Kohl war eine andere Art führender westdeutscher Politiker. Er war der erste Kanzler der Bundesrepublik, der kein Englisch sprach. Er war der erste, der zu jung war, um wirklich im Zweiten Weltkrieg gekämpft zu haben oder wie Brandt zur Flucht gezwungen gewesen zu sein. Trotzdem hatten seine Kriegserfahrungen einen enormen Einfluss auf seine Einstellung zu Europa. 127 Zwar führten seine Leibesfülle, seine Geselligkeit und seine bescheidene Herkunft – sein Vater war ein kleiner Beamter gewesen und der junge Helmut hatte sein Taschengeld durch Kaninchenzucht aufgebessert – dazu, dass er regelmäßig unterschätzt wurde, aber am Ende wurde er der dienstälteste Kanzler in der Geschichte der Bundesrepublik. Mit der Zeit wurde Kohl für seine außerordentliche Beharrlichkeit bekannt – seine Frau hätte das sicher nicht überrascht, denn er hatte ihr mit mehr als 2.000 Liebesbriefen den Hof gemacht. Zu den Dingen, die er beharrlich verfolgte, gehörte auch die europäische Integration.
Kohl wusste vielleicht nicht viel über Volkswirtschaftslehre, aber er wusste genug, um zu begreifen, dass die konjunkturelle Erholung, die gerade erst auf die Füße kam, erstickt werden konnte, wenn er dem Aufwertungsdruck nachgab. Als engagierter Europäer wollte er aber auch nicht für den Zusammenbruch des frisch errichteten Währungssystems der Gemeinschaft verantwortlich sein. Und da Kohl in Rheinland-Pfalz nahe der französischen Grenze aufgewachsen war, hatte er instinktiv Verständnis für Frankreich.
Mitterrand hatte vielleicht die Ökonomie genauso wenig begriffen wie Kohl, aber er begriff Deutschland und ihm war klar, dass er dessen Aufmerksamkeit erregte, wenn er drohte, sich aus dem EWS zurückzuziehen. Am dritten Märzwochenende wiederholte Delors bei einem Treffen in Bonn diese Drohung. Er, der normalerweise nicht zur Theatralik neigte, „drohte, raste und bekam Wutanfälle“ und gab eine Vorstellung, die eines John Connally würdig gewesen wäre. „Was soll ich denn mit arroganten Leuten anstellen, die nichts begreifen ?“, fragte er geringschätzig mit Bezug auf Deutschlands Abneigung gegen die Aufwertung. 128 Unter dem Schock dieser Aufführung knickten die Deutschen ein. Kohl wies seinen Finanzminister Gerhard Stoltenberg an, die D-Mark gegen die anderen EWS-Währungen aufzuwerten, sodass der Franc im Verhältnis zu der Gruppe nicht so stark abgewertet zu werden brauchte und Frankreich sein Gesicht wahren konnte.
Nachdem Paris die Verbesserung der äußeren Wettbewerbsfähigkeit erzielt hatte, die zur Förderung des Exports nötig war, konnte es jetzt zu Ausgabenkürzungen übergehen, ohne dadurch eine massive Rezession zu riskieren. Die Arbeitslosigkeit stieg zwar, aber nicht so sehr, dass es die sozialistische Regierung gefährdet hätte. Und als sich der Haushalt in Richtung Ausgeglichenheit zubewegte, stabilisierte sich der Franc. Das EWS trat in eine ruhige Phase ein, in der es zwar Realignments gab, aber keine Krisen. Nachdem Europa diese anfängliche Episode der waghalsigen Währungspolitik hinter sich gebracht hatte, konnte es sich wieder an die Arbeit machen.
EIN MARKT, EINE WÄHRUNG
Dieses Ergebnis vergrößerte das Format von Mitterand, Kohl und Delors und diese drei Männer sollten in der nächsten Phase der europäischen Integration entscheidende Rollen spielen. Delors übernahm zusätzlich zu seiner Zuständigkeit für Wirtschaft und Finanzen noch das Haushaltsportfolio der Regierung. Dann wurde er mit der Unterstützung Frankreichs und Deutschlands Präsident der EG-Kommission. Die Kohl-Regierung mag
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