Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
Darunter versteht man »ein übertriebenes Maß an Aufmerksamkeit für stark belohnende Reize auf Kosten anderer (neutraler) Reize«. Diese Form der selektiven Wahrnehmung gestattet uns die Konzentration auf das Wichtigste, damit nur dies eine Handlung zur Folge hat. Sie rückt auch das Belohnungsessen im Bewusstsein ganz nach vorne–je lohnender die Speise, desto mehr Aufmerksamkeit richten wir darauf, und desto mehr bemühen wir uns darum.
John Salamone, Professor der psychologischen Abteilung an der Universität Connecticut, bemerkte schon gegen Ende seines Studiums, dass hungrige Tiere auffällig hyperaktiv reagierten,
wenn man ihnen Futter anbot. [Ref 56] Sie verhielten sich dann wie Tiere, die mit Amphetaminen behandelt worden waren. Salamone registrierte auch, dass eine Blockierung von Dopamin durch einen Dopaminantagonisten die hektische Aktivität deutlich dämpfte.
Daraufhin untersuchte er, wie intensiv Tiere mit normalem Dopaminspiegel sich im Vergleich zu Tieren mit gesenktem Dopaminspiegel um einen Belohnungshappen bemühen. Sein Team legte vier leckere Pellets an das eine Ende eines T-förmigen Labyrinths und zwei Pellets an das andere Ende. Die Ratten lernten, wo es die größere Portion gab, und bogen an der Gabelung zielsicher dorthin ab. Als die Forscher den Dopaminspiegel der Ratten senkten, liefen die Tiere langsamer, steuerten jedoch weiterhin die vier Leckerbissen an.
Im nächsten Schritt erschwerte Salamone den Zugang zu der Seite mit den vier Pellets durch eine 45 cm hohe Schranke. Nun mussten die Tiere mit normalem Dopaminspiegel lange üben, ehe sie das Hindernis überwinden und ihre Belohnung erreichen konnten. Während Salamone beobachtete, wie sie die Schranke angingen, fühlte er sich daran erinnert, wie Richard Gere in Ein Offizier und Gentleman seinen Hindernisparcours meistert: »Die Ratten nehmen Anlauf, springen zur oberen Kante der Schranke, greifen zu und schnellen hinüber. Dann springen sie auf der anderen Seite hinunter und fressen ihre vier Pellets.«
Aus Sicht der Evolution lohnt sich die Mühe. »Dopamin ist an den aktivierenden Aspekten des Futtersammelns beteiligt«, erklärt Salamone. »Das ist sehr wichtig für das Überleben, denn wir müssen dafür in der Lage sein, genügend Energie aufzubringen und ausreichend aktiv zu werden, um Zugang zu notwendigen Reizen zu erhalten.«
Tiere mit Dopaminmangel verhielten sich anders. Sie waren nicht bereit, sich ausreichend zu bemühen, um die Schranke zu überwinden. Stattdessen begnügten sie sich mit der einfacheren Option–sie wählten die offene Seite des Labyrinths, an deren Ende zwei Pellets warteten.
Dopamin erhöht also die Einsatzfähigkeit eines Tieres, doch die entsprechenden Aktivitäten sind sehr gezielt. Eine Dopaminausschüttung angesichts besonders wohlschmeckender Reize lässt ein Tier ausreichend aktiv werden, um der größten Belohnung nachzujagen. Dafür wird die Fähigkeit benötigt, unwichtiges »Hintergrundrauschen« auszublenden.
Howard Fields berichtet von einer Studie, in der Tiere sich zwischen zwei Bereichen entscheiden durften, in denen sie Zuckerlösung vorfanden. [Ref 57] Anfangs erhielten die Tiere entweder reines Wasser oder dreiprozentige Zuckerlösung. Danach stand auf der einen Seite eine dreiprozentige, auf der anderen eine zehnprozentige Zuckerlösung bereit. In beiden Fällen zogen sie die jeweils süßere Lösung vor. Eine dreiprozentige Lösung war also gut genug, solange die Alternative ungesüßt war, aber weniger attraktiv, wenn es etwas noch Süßeres gab. Die Neuronen im Nucleus accumbens im Gehirn codierten diese Vorliebe, indem sie entsprechend mehr Dopamin für die konzentrierteste Lösung erzeugten.
Tiere wie auch Menschen scheinen eine angeborene Vorliebe für Eigenschaften zu haben, die das natürliche Maß übersteigen. Verhaltenswissenschaftler
bemühen sich um Verständnis für die Anziehungskraft solcher »Superreize«.
Betrachten wir hierzu den Austernfischer, einen Küstenvogel mit schwarz-weißem Federkleid, rotem Schnabel und leuchtend roten Beinen. [Ref 58] In den 50er-Jahren führte der niederländische Verhaltensforscher Nikolaas Tinbergen seine mittlerweile klassischen Studien zum Brutverhalten dieses Vogels durch und entdeckte dabei etwas Erstaunliches: Wenn ein Austernfischer vor der Wahl stand, sein eigenes kleines Ei oder das Riesenei eines viel größeren Vogels zu bebrüten, wählte der Vogel unweigerlich das Riesenei.
Bei Untersuchungen an
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