Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
Menge Kalorien.«
Weil derartige Nahrung im Nu im Schlund verschwindet, werden die körpereigenen Signale, die uns »Ich bin satt« mitteilen sollen, einfach überrannt. Als Beispiel führt mein Informant Weißkraut-Möhren-Salat, den amerikanischen Cole Slaw, an. Wenn der Kohl grob gehackt ist, muss man ihn eine ganze Weile kauen. Wenn Kohl und Möhren jedoch durch ein fettreiches Dressing weicher werden, geht die typische, sättigende Wirkung des Salats verloren.
Bei Äpfeln und Apfelmus beobachten wir dasselbe Phänomen. Mit dem Schälen gehen viele Fasern verloren. »Dann fügen wir Zucker hinzu und verfeinern das Mus so lange, bis man es praktisch trinken kann. Es macht nicht so satt wie ein frischer Apfel, den man zerkauen muss.«
Das soll nicht etwa heißen, dass die Lebensmittelindustrie uns vollständig vom Kauen abbringen möchte. Man weiß durchaus, dass wir Gebäck essen, nicht trinken möchten. »Was soll mit dem Zucker passieren–soll er gleich auf die Zunge?«, fragt mich der Experte. »Ich will kauen. Ich will ihn im Mund fühlen. Die Hersteller zielen nun darauf ab, Speisen zu erzeugen, die man gerade eben ausreichend kauen muss–nur nicht zu viel.«
Was zu leicht rutscht, hinterlässt nicht das Gefühl, etwas Gutes gegessen zu haben. Wenn wir Nahrung von allen Ballaststoffen
befreien, verliert sie ihre Sättigungskraft. Zucker und Fett lassen Speisen so schnell verschwinden, dass wir am Ende nur mehr wollen.
Anstatt darauf zu achten, was in unserem Mund verschwindet, sind wir mit »Hineinschaufeln« beschäftigt, diagnostiziert Nancy Rodriguez. [Ref 89] Die Expertin für sensorische Eigenschaften von Lebensmitteln und Chefin des Produktentwicklers Food Marketing Support Services versichert: »Wir essen, damit der Bauch voll ist.«
15 | Ganz nach unserem Geschmack
Als florierender Wirtschaftszweig entwickelt die Lebensmittelindustrie ihre Produkte keineswegs ins Blaue hinein. »Sie stellen die nötigen Berechnungen an, um die Schlüsselkomponenten zu zerlegen«, beobachtet Gail Civille. [Ref 90]
Bei Lebensmitteln ist dies riskanter als bei den meisten anderen Produkten im Handel. Die Konzerne nutzen–ob absichtlich oder nicht–unsere Gehirnbiologie, um uns Produkte zu verkaufen, die den menschlichen Körper verändern.
Dabei hängt der Erfolg davon ab, ob sie den Schlüssel zur Produktion von Lebensmitteln entdecken, deren sensorische Eigenschaften die richtige Kombination ergeben. Da Menschen unterschiedliche Vorlieben für Süßes oder Salziges haben, ist die passende Mischung stimulierender Zutaten bis zu einem gewissen Grad von der Zielgruppe abhängig. Doch insgesamt ist die Industrie, wie Civille sagt, »ständig auf der Suche nach dem Rezept, das die größte Zahl von Kunden anspricht«. Dieser Ansatz ist zu einer wahren Wissenschaft geworden.
Als Robert Smith, ehemals Vizepräsident für Forschung und Entwicklung bei Nabisco, in den Ruhestand ging, hatte er sich in der Lebensmittelindustrie unangefochtene Verdienste erworben. Unter seiner Führung hatten zwei dauerhaft erfolgreiche Kekssorten –Oreos und Chips Ahoy!–dem Konzern bemerkenswerten Profit eingebracht. [Ref 91] Smith half mir, den Grund dafür zu verstehen.
Sein Credo ist, dass nicht ein einzelner Bestandteil eines Lebensmittels –eine Zutat oder das Ansprechen eines isolierten Sinns–dazu führt, dass wir etwas mögen. Die Industrie sollte sich darauf verlegen, die richtige Kombination der dazu erforderlichen Eigenschaften zu entdecken. »Die Schlüsselkomponenten sprechen viele Sinne gleichzeitig an«, so Smith. »Das sind keine Einzelfaktoren.«
Um die Eigenschaften herauszufiltern, die wir uns wünschen, hat die Industrie standardisierte Prüfverfahren entwickelt, mit deren Hilfe Verbraucher und Berufstester die ansprechenden Eigenschaften eines vorgegebenen Produkts im Einzelnen ermitteln sollen. Die Industrie nennt diese Technik einen »Fingerabdruck«, mit dessen Hilfe man herausfinden will, welche Komponenten der Verbraucher akzeptiert. »An diesem Modell orientieren wir uns, wenn wir festlegen, was den Verbraucher begeistert«, gesteht er.
Smith spielte eine entscheidende Rolle bei der Markteinführung der fettfreien SnackWell’s Cookies–deshalb wollte ich unbedingt mit ihm sprechen. Ich wollte wissen, wieso diese Kekse mich derart im Griff haben. Immer wieder passiert es mir, dass ich einen esse, die Schachtel wegpacke und ein paar Minuten später wiederkomme, um noch einen zu nehmen. Und noch
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