Das Ende des großen Fressens - · Wie die Nahrungsmittelindustrie Sie zu übermäßigem Essen verleitet - · Was Sie dagegen tun können
Gegenständen vorgelegt wurden. [Ref 72] Manche waren mit der Möglichkeit einer finanziellen Belohnung verknüpft, andere nicht. Es überrascht wenig, dass im MRT beim Betrachten der Bilder, bei denen Geld lockte, die dopaminreichen Hirnareale aktiviert wurden.
Drei Wochen später fragten die Forscher dieselben Teilnehmer, welche Bilder sie sich noch ins Gedächtnis rufen konnten, und stellten fest, dass die Versuchspersonen sich deutlich besser an die Bilder erinnerten, die eine Belohnung verheißen hatten.
»Diese Ergebnisse sind ein Beweis für eine Beziehung zwischen der Aktivierung von Dopamin erzeugenden Bereichen … und der Ausbildung des Langzeitgedächtnisses«, schrieben die Forscher. Oder mit den vielleicht poetischeren Worten zweier Stanford-Wissenschaftler: »Belohnungsschaltkreise können Erinnerungsschaltkreisen ins Ohr flüstern.« [Ref 73]
An einem schönen Wochenende fuhr ich nachmittags mit meinem Freund Bill Schultz über die Golden Gate Bridge nach Sonoma County. Wir suchten ein Restaurant, in dem er 15 Jahre zuvor ein einzigartiges Dessert gegessen hatte–einen Erdbeermilchshake in einer Schokoladentüte. (Dazu füllt man eine Papiertüte mit Schokolade und friert sie ein, um einen Behälter für
den Shake zu erhalten.) Er erinnerte sich sowohl an die optische Gestaltung als auch an die Geschmackskombination lebhaft, und so klapperten wir ein Restaurant nach dem anderen ab, um den Koch zu finden, der diese unvergessliche Zusammenstellung erfunden hatte.
»Wenn Menschen die Erinnerung an eine Speise beschwören, die sie ganz besonders mochten und die aus irgendeinem Grund nicht verfügbar ist, verspüren sie ein Verlangen«, erklärt Marcia Pelchat, Expertin für physiologische Psychologie am Monell Chemical Senses Center. [Ref 74] »Die Erinnerung an einen Genuss weckt das Verlangen.«
Bill erinnerte sich sowohl an den Geschmack als auch an die einzigartige Aufmachung des Milchshakes, doch sein Verlangen entsprang der Umgebung und seinen Gefühlen von damals. Der Tag, an dem er den Milchshake getrunken hatte, war ein ganz besonderer gewesen, denn er hatte gegen Ende einer abenteuerlichen Reise quer durch das Land mit Freunden in einem kalifornischen Weinberg im Freien gegessen. Zudem stand seine Hochzeit bevor.
Dieser Sinnesgenuss und die persönliche Geschichte gehörten untrennbar zu der Vorstellung von diesem Milchshake. Während unserer Odyssee durch Nordkalifornien auf der Suche nach einem Geschmack und einer Erinnerung fiel Bill alles wieder ein.
Die Macht solcher Erinnerungen ist nicht zu leugnen. Wenn man uns fragt, was wir am achten November 1989 oder am zehnten September 2001 getan haben, fällt es uns vermutlich nicht mehr ein. Doch die Einzelheiten der darauffolgenden Tage haben sich in das Gedächtnis der Menschen eingebrannt, die diese Tage erlebt haben. Zu diesem verbreiteten Phänomen gibt es zahlreiche Forschungsarbeiten, die darauf hindeuten, dass wir uns Einzelheiten
besser merken können, wenn die damit verbundenen Ereignisse uns emotional erreichen.
Darauf zielen auch die abendlichen Werbespots der Lebensmittelkonzerne ab. Sie verkaufen uns weder Nahrung noch Zufriedenheit, sondern Gefühle. Nur darum geht es, ob beim fröhlichen, gemeinsamen Kochen im Maggi Kochstudio oder beim Weitergeben von Werther’s Echten an die Enkel.
13 | Essverhalten ist Gewohnheitssache
Gewohnheiten bilden sich heraus, wenn vertraute Reize gut eingeschliffene Nervenbahnen aktivieren, die immer dasselbe Verhalten erzeugen. Auf denselben Hinweisreiz reagieren wir auf dieselbe Weise.
Mit der Zeit ruft der Verzehr besonders schmackhafter Speisen eine automatische Reaktion hervor. Es bilden sich »Aktionsmuster« [Ref 80] heraus, eine Art innerer Stempel unserer Aktionen in der passenden Abfolge. Solche Aktionsmuster entwickeln sich rascher und intensiver, wenn unser Verhalten von einem verstärkenden Reiz angetrieben wird.
Sobald so eine Vorgabe im Gehirn angelegt ist, läuft das Verhalten, das sie bewirkt, so routiniert ab, dass wir auf einen Reiz reagieren können, ehe wir ihn überhaupt bewusst wahrnehmen. In der wissenschaftlichen Literatur ist ausführlich belegt, dass Bewegungen schon messbar waren, ehe die Versuchspersonen wussten, dass sie sich bewegen würden. Die Gehirnaktivität setzt die Motorik noch vor dem Bewusstsein in Gang.
Ich kontaktierte Joshua Berke von der Universität Michigan in Ann Arbor, denn ich wollte genauer wissen, wie wiederholte Erfahrungen die
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