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Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Das Ende des Himmels: Roman (German Edition)

Titel: Das Ende des Himmels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peadar O´Guilín
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noch um die Hüfte gewickelt bei sich trug, und deutete an, es zu spannen. Dann zeigte er auf die Männer und Frauen auf der anderen Seite.
    »Das funktioniert nicht«, sagte sie, aber sie erhob sich bereits. Sie zog ihn an sich und küsste ihn leidenschaftlich. Er spürte das Brennen auf seinen aufgeplatzten Lippen und die feste Entschlossenheit, sie nicht im Stich zu lassen, sie auf die andere Seite zu bringen.
    »Ihr da!«, rief sie. »Hört mir zu, wenn ihr herüberkommen wollt! Hört mir zu!«
    Einige hatten ihre Panik immer noch nicht überwunden und wollten nicht verstummen. Doch die anderen brachten sie zum Schweigen, in einigen Fällen mit brutalen Schlägen.
    »Wir wollen zu euch hinüber, und ihr wollt zu uns«, stellte sie fest.
    »Ihr seid verrückt!«, sagte ein großer Mann auf der anderen Seite. »Der Dämon kommt. Wenn ihr wirklich so religiös seid, wie ihr ausseht, wollt ihr bleiben, wo ihr seid. Glaubt mir!«
    Indrani erzählte ihm nichts vom Wassermangel. Stolperzunge hatte deswegen ein schlechtes Gefühl, aber er beschloss, sich nicht einzumischen. Sie drückte Flammenhaar fest an ihre Brust. Sie war jetzt nur noch ihrer Familie, ihrem Stamm verpflichtet. Die anderen waren nicht mehr als Bestien: Ihre Häute waren gut für Kleidung, ihre Schädel als Suppenschüsseln geeignet.
    »Wir werden euch ein Seil zuwerfen. Mein Mann ist kräftig genug, um ein Ende zu halten. Eure Männer sollen das andere nehmen. Dann werde ich hinüberklettern. Anschließend können einige von euch hierherkommen. Bis es genug sind, um das Seil zu halten, wenn mein Mann hinübergeht. Wenn wir alle auf eurer Seite sind, halten wir das Seil für jeden, der ebenfalls hinübergehen will. Einverstanden?«
    Es gab ein paar besorgte Einwände, denen Stolperzunge gar nicht zuhörte, weil er viel zu sehr von seinem überwältigenden Durst abgelenkt wurde. Doch dann riss er sich wieder zusammen, als er Indrani sagen hörte: »Alles, was wir als Gegenleistung verlangen, ist etwas Wasser. Werft eure Flaschen zu uns herüber. Andernfalls sind unsere Vereinbarungen hinfällig.«
    »Indrani!«, flüsterte er. »Das kannst du nicht tun! Sie werden hier im Sektor Schlange sterben, wenn sie nichts zu trinken haben. Das weißt du!«
    Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, doch in ihrem Gesicht sah er nur die kalten Augen eines Stammesangehörigen, der Freiwillige aussuchte, damit die anderen überleben konnten. Das war etwas, mit dem er aufgewachsen war und das für ihn richtig war. Doch normalerweise verstanden Freiwillige, warum sie auserwählt wurden. Sie waren mit diesen Sitten aufgewachsen und hatten sie angenommen. Es gab keine Täuschung.
    »Sie sind keine Bestien«, sagte er.
    »Mein Kind muss überleben«, erwiderte sie. »Und mein Mann.« Sie legte eine Hand an sein Gesicht, und nun bemerkte er den Tumult, der sich unter ihrer kühlen Fassade verbarg. Als er ihre Zweifel erkannte, ging es ihm etwas besser.
    Kurz darauf flogen zehn Flaschen über den Teich. Die Hälfte landete im Schleim, doch die übrigen schlugen rund um Stolperzunge auf den Boden auf. Seine Skrupel wurden von seinem wahnsinnigen Durst fortgeschwemmt. Er hatte gehört, dass ein verdurstender Jäger nicht zu viel auf einmal trinken sollte. Aber sein Körper, der voller Medizin war, reagierte anders. Er trank drei volle Flaschen leer, während Indrani ihm das Gesicht abwischte, und nahm sich dann die nächste vor. Sie selbst gönnte sich nur sehr wenig, obwohl auch sie großen Durst verspüren musste.
    Indrani streichelte seine Schultern und ließ eine Hand an seinem Arm hinabgleiten. »Du bist so stark, Liebster«, sagte sie. »Aber du wirst einen Anker für so viel Gewicht brauchen.« Sie zeigte auf ein schweres Möbelstück, das halb aus dem Eingang zu einer Wohnung ragte. »Du solltest dich vielleicht an diesem Bett festbinden.«
    Er nickte. Endlich klärte sich der Nebel in seinem Kopf. Es war erstaunlich, wozu diese Nanos imstande waren. Allmählich verstand er, warum diese Menschen so abhängig davon geworden waren.
    Sie banden ein paar leere Flaschen an ein Ende des Seils und warfen es zu den Wartenden hinüber. In der Zwischenzeit waren weitere Leute eingetroffen, und ihre Unruhe steigerte sich. In der Ferne hallte krachender Lärm durch die Korridore, und einmal zitterte der Boden so heftig, dass der Jäger dachte, es würde ein neues Beben kommen – das letzte, mit dem alles zu Ende wäre.
    Er war froh, dass Indrani zuerst hinübergehen wollte. Er war

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